Das Finanzgericht Münster hat in einem Eilverfahren bezweifelt, dass Säumniszuschläge, die nach dem 31.12.2018 entstanden sind, in ihrer veranschlagten Höhe verfassungsgemäß sind. Der BFH hatte bereits in anderen Verfahren entsprechende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Säumniszuschläge in Höhe von monatlich 1 % geäußert. Eine abschließende gerichtliche Klärung steht noch aus.
Das Finanzgericht Münster (FG) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 11.01.2022 (12 V 1805/21) dazu Stellung genommen, ob die Höhe der Säumniszuschläge mit 1 % pro Monat verfassungswidrig zu hoch sei.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die A GmbH & Co. KG beantragte Abrechnungsbescheide für alle ab dem 01.01.2010 angefallenen Säumniszuschläge und zudem die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung bezüglich dieser Säumniszuschläge.
Als Begründung gab die A GmbH & Co. KG an, dass der in den Säumniszuschlägen enthaltene Zinsanteil verfassungswidrig zu hoch sei. Zudem beantragte sie den Erlass der Säumniszuschläge insoweit, wie diese Druckcharakter hätten.
Daraufhin erteilte das Finanzamt (FA) die begehrten Abrechnungsbescheide. In diesen waren Säumniszuschläge ausgewiesen, gegen die die A GmbH & Co. KG Einspruch einlegte und Aussetzung der Vollziehung beantragte.
Das FA gewährte einen Teilerlass, die KG stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FG, dem für Säumniszuschläge für die Umsatzsteuern ab 2018 stattgegeben wurde.
Voraussetzung der Aussetzung
Für das FG bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der in den Abrechnungsbescheiden ausgewiesenen Säumniszuschläge, soweit sie nach dem 31.12.2018 entstanden sind, da insoweit die Höhe des darin enthaltenen Zinsanteils zweifelhaft ist.
Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof (BFH) in verschiedenen Entscheidungen seinerseits bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für die Zeiträume ab dem 01.01.2019 geäußert, denen sich das FG anschließt.
Insoweit bestehen Zweifel hinsichtlich der in den Abrechnungsbescheiden ausgewiesenen Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 2016 und 2017. Dies leitet das FG daraus ab, dass aus seiner Sicht die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge zweifelhaft erscheint.
Hinsichtlich der vor dem 01.01.2019 entstandenen, in den angefochtenen Abrechnungsbescheiden ausgewiesenen Säumniszuschläge hat der Antrag allerdings keinen Erfolg.
Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Frage der Verfassungswidrigkeit der Vollverzinsung gem. § 233a AO i. V. m. § 238 AO geklärt, so dass keine erheblichen Bedenken an der Gültigkeit des § 240 AO bestehen, soweit Säumniszuschläge vor dem 01.01.2019 entstanden sind. Das BVerfG hat ausdrücklich die Fortgeltung des § 233a AO i. V. m. § 238 AO für die Verzinsungszeiträume vor dem 01.01.2019 angeordnet.
Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zu Lasten des Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach §§ 234, 235 und 237 AO, nicht in Betracht komme, und soweit die Entscheidung darüber hinaus keine Ausführungen zu den Säumniszuschlägen i. S. d. § 240 AO enthält, folgt daraus für die hier zu treffende Entscheidung nichts Gegenteiliges.
Denn wenn schon die Vollverzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 AO trotz verfassungsrechtlicher Bedenken bis zum 31.12.2018 weiter gilt, folgt daraus, dass auch Säumniszuschläge zumindest bis zum 31.12.2018 nicht wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben sind.
Daher hat das FG keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 2013 bis 2017, da sämtliche darin ausgewiesenen Säumniszuschläge vor dem 01.01.2019 entstanden sind.
Praxishinweis
Das FG hat die Beschlüsse des BVerfG insoweit fortentwickelt, als dass die Höhe der Säumniszuschläge wie die Zinshöhe verfassungsgemäß ist, soweit die Säumniszuschläge bis zum 31.12.2018 entstanden sind. Für später entstandene Säumniszuschläge hingegen ist dies nicht der Fall. Da dies bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, hat das FG die Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen, damit der BFH dies ggf. klären kann.
FG Münster, Beschl. v. 11.01.2022 - 12 V 1805/21
Quelle: Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht