Werden Abfindungen aufgeteilt und über mehrere Jahre in Teilbeträgen ausgezahlt, scheidet eine ermäßigte Besteuerung im Regelfall aus. Die Steuervergünstigung kommt aber ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Auszahlungsbetrag eine geringfügige Teilleistung darstellt. Der BFH hat entschieden, dass es insbesondere auf das Verhältnis der Nebenleistung zur Steuerentlastung bei der Hauptleistung ankommt.
Zur Vermeidung von Härten im Progressionstarif wird eine Arbeitnehmerabfindung nach § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 3 EStG ermäßigt besteuert. Auszahlungen von Abfindungen über mehrere Veranlagungszeiträume sind hierbei grundsätzlich schädlich für die Begünstigung. Nach dem Grundsatzurteil des BFH vom 26.09.2009 kann allerdings ausnahmsweise auch dann eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung in Frage kommen, wenn mit einer der Zahlungen in jeweils unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen lediglich eine geringfügige Teilleistung bewirkt werden soll.
Im aktuellen Urteil vom 13.10.2015 hat der BFH nun die Anforderungen an die Geringfügigkeit für eine solche Teilauszahlung in einem Veranlagungszeitraum näher konkretisiert.
Im Fall hatte der Kläger im Rahmen der Auflösung eines seit 1971 bestehenden Arbeitsverhältnisses eine betriebliche Abfindung i.H.v. 104.800 € sowie eine Tarifabfindung i.H.v. 10.200 € erhalten. Die Tarifabfindung floss ihm bereits im Jahr 2010 zu, die betriebliche Abfindung im Jahr 2011. Der Arbeitgeber hatte eine Ermäßigung bei der Abführung der Lohnsteuer für die Zahlungen jeweils nicht berücksichtigt. In seiner Einkommensteuererklärung 2011 setzte der Kläger die betriebliche Abfindung als Entschädigung für entgangene Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz an.
Das Finanzamt veranlagte jedoch nach dem allgemeinen Steuersatz. Das vom Kläger angerufene Finanzgericht ließ jedoch die ermäßigte Besteuerung zu, da nach seiner Ansicht die im Jahr zuvor ausgezahlte Tarifabfindung im Verhältnis zu der betrieblichen Abfindung unter Berücksichtigung der individuellen Steuerbelastung noch als geringfügig anzusehen war. Das Finanzamt zog gegen die Entscheidung zur Revision vor den BFH.
Nach Ansicht des BFH kommt es für die ausnahmsweise Gewährung der Begünstigung bei Teilzahlungen einer Abfindung insbesondere auf die Höhe der jeweiligen Zahlungen im Verhältnis zueinander an, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, welche die Teilleistung bedingen oder prägen – z.B. eine soziale Motivation oder eine persönliche Notlage. Eine starre Prozentgrenze in Bezug auf das Verhältnis der Teilleistungen zueinander oder zur Gesamtabfindung gibt es jedoch nicht. Hier kommt es auf die Prüfung im Einzelfall an.
Der BFH sieht die Teilauszahlung in 2010, wie im Ergebnis das Finanzgericht, als eine noch geringfügige Nebenleistung zur Gesamtabfindung an. Die Teilauszahlung belief sich im Streitfall auf 8,87 % der Gesamtabfindung oder 9,73 % der Hauptleistung. In früherer Rechtsprechung hatte der BFH eine Geringfügigkeit nicht mehr angenommen, wenn diese mehr als 10 % der Hauptleistung betrug. Für eine unschädliche Geringfügigkeit der Teilleistung spricht laut dem BFH außerdem – in Anlehnung an frühere Rechtsprechung –, wenn die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung.
Die Teilauszahlung vor Steuern würde ansonsten noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat. Dieses Kriterium hatte der BFH bereits in früheren Urteilen als Argument für eine Begünstigung herangezogen. In den Urteilen ging es um nachträgliche, sozial motivierte Teilleistungen des Arbeitgebers (z.B. BFH-Urteil v. 24.01.2002). Er stellte nun jedoch klar, dass die Situation einer gegenüber der Steuerentlastung der Hauptleistung niedrigeren Teilleistung auch generell als Argument für die Geringfügigkeit der Teilauszahlung herangezogen werden kann.
Praxishinweis
Der BFH festigt die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % der Hauptleistung bei Teilleistungen im Rahmen von Abfindungen durch das aktuelle Urteil weiter. Hiermit dürfte in der Praxis in entsprechenden Situationen also weitgehend sicher gearbeitet werden können. Außerdem kann im Rahmen einer Vergleichsrechnung nun auch der Steuervor- bzw. -nachteil aufgrund der Teilzahlung als zusätzliches Kriterium für alle entsprechenden Fälle herangezogen werden, was in der Praxis die mögliche Argumentationsgrundlage nochmals erweitert.
BFH, Urt. v. 13.10.2015 - IX R 46/14
BFH, Urt. v. 24.01.2002 - XI R 43/99, BStBl 2004 II 442
BFH. Urt. v. 25.08.2009 - IX R 11/09, BStBl 2011 II 27
Quelle: StB, Diplom-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann