Das BMF gleicht die Verwaltungspraxis bei der steuerlichen Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen weiter der Rechtsprechung des BFH an. Damit sind beim sog. Fremdvergleich nicht allein die Vertragsgestaltungen, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind, sondern ergänzend auch Vereinbarungen aus dem Bereich der Geldanlage heranzuziehen. Die aktuelle Verwaltungsanweisung ändert und ergänzt das Schreiben des BMF aus dem Jahr 2010.
Wer als „naher Angehöriger“ gilt, ist in § 15 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Damit sind insbesondere Verträge zwischen Eltern, Kindern, Ehegatten, Geschwistern sowie verschwägerten Personen betroffen.
Ob Verträge zwischen nahen Angehörigen steuerlich anerkannt werden oder als private Zuwendungen oder Unterhaltszahlungen einzustufen sind, richtet sich nach der Gesamtheit der objektiven Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich ist Voraussetzung, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig geregelt sind und dass das Vereinbarte auch umgesetzt wird. Allerdings schadet es nicht, wenn in einzelnen Punkten vom Üblichen geringfügig abgewichen wird.
Ob einzelne Regelungen den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen, wird im Rahmen der Gesamtbetrachtung durch einen Fremdvergleich ermittelt. In diesem Zusammenhang stellt sich dann insbesondere die Frage, ob die sich aus dem Vertrag ergebenden Chancen und Risiken so verteilt sind, wie das unter Fremden üblich wäre.
Bezogen auf den Anlass der Darlehensgewährung sind dazu verschiedene Fallgruppen entwickelt worden:
Fallgruppe 1: Darlehen und Schenkung
Wird das Darlehen aus Mitteln gewährt, die der Darlehensnehmer zuvor dem Darlehensgeber geschenkt hat, wird der Fremdvergleich strikt durchgeführt: Der Fremdvergleich erfordert in dieser Fallgruppe, dass langfristige Darlehen ausreichend besichert sind. Zudem werden Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen in dieser Fallgruppe dann nicht anerkannt, wenn die Darlehensmodalitäten zwar einem Fremdvergleich standhalten, es aber im Verhältnis zwischen dem Schenker und dem Beschenkten an einer endgültigen Vermögensverschiebung fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Beschenkte nicht frei entscheiden kann, ob er die erhaltenen Geldmittel im Betrieb des Schenkers oder in anderer Weise verwendet.
Fallgruppe 2: Dauerschuldverhältnisse
Die nächste Fallgruppe bilden Rechtsverhältnisse, bei denen eine regelmäßige Vergütung geschuldet (z.B. Arbeits-, Miet- oder Pachtvertrag) und die tatsächliche Auszahlung durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt werden. Bei dieser Fallgruppe ist entscheidend, ob die Vergütung lediglich "stehengelassen" oder aber im Einzelfall eine zunächst tatsächlich angebotene Auszahlung in ein Darlehen umgewandelt wird. Für die Anerkennung einer „stehengelassenen“ Vergütung wird eine ausdrückliche Vereinbarung zur Rückzahlung und Kündigung verlangt. Der bloße Verweis auf die nach den gesetzlichen Regelungen geltende dreimonatige Kündigungsfrist reicht nicht aus. Im Gegensatz dazu werden Darlehensvereinbarungen, die erst nach einem tatsächlichen Angebot auf Auszahlung der Vergütung getroffen werden, auch dann steuerlich anerkannt, wenn ausdrückliche Vereinbarungen über die Verzinsung oder Rückzahlung fehlen.
Fallgruppe 3: Anschaffungs- oder Herstellungskosten
Die Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Darlehen, mit denen Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern finanziert werden, sind deutlich niedriger: Weil die Darlehensaufnahme in dieser Fallgruppe eindeutig steuerlich veranlasst ist, schadet es nicht, wenn das Darlehen im Einzelfall unter nicht „fremdüblichen“ Bedingungen gewährt wird. Im Rahmen der Gesamtwürdigung der schuldrechtlichen Darlehensvereinbarung ist dann entscheidend, ob die vereinbarten Zinsen tatsächlich vertragsgemäß gezahlt werden.
Die Finanzverwaltung geht bezüglich der Rechtsfolgen noch über diese Rechtsprechungsgrundsätze hinaus: Die Bedingungen der Darlehenstilgung und -besicherung sind nicht mehr zu prüfen, wenn der Betrag statt bei einem Angehörigen bei einem fremden Dritten hätte aufgenommen werden müssen. Entscheidend ist in diesem Fall nach Ansicht des BMF, dass die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt und insbesondere die Darlehenszinsen regelmäßig gezahlt werden. Dies gilt abweichend von der Rechtsprechung, wenn es sich bei den Parteien des Darlehensvertrags um volljährige, voneinander wirtschaftlich unabhängige Angehörige handelt.
Der BFH hatte mit Urteil vom 22.10.2013 zunächst im Gegensatz zur Finanzverwaltung entschieden, dass Vergleichsmaßstab nicht ausschließlich Verträge sind, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind: Wenn durch den Vertrag nicht allein zusätzliche Mittel außerhalb einer Bankfinanzierung erlangt werden sollten, sondern bei einer attraktiven Verzinsung zugleich auch die Gläubigerinteressen an einer gut verzinslichen Geldanlage berücksichtigt würden, seien ergänzend auch Vereinbarungen heranzuziehen, die im Bereich einer Geldanlage üblich sind. Dieser Ansicht hat sich das BMF nun mit Schreiben vom 29.04.2014 angeschlossen. Damit wendet jetzt auch die Finanzverwaltung den erweiterten Maßstab des BFH bei der Fremdüblichkeit an. Mit dem aktuellen Schreiben des BMF sind nunmehr die Grundsätze der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung für die Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen nahezu identisch.
Das Schreiben wurde bereits auf den Internetseiten des BMF, aber noch nicht im BStBl veröffentlicht.
Praxishinweis
Künftig können Steuerpflichtige und steuerliche Berater die Anerkennung ihrer geschlossenen Darlehensverträge bereits im Vorfeld anhand der BMF-Schreiben vom 23.12.2010 und 29.04.2014 sowie des BFH-Urteils vom 22.10.2013 verlässlich prüfen. Es ist zu begrüßen, dass Finanzverwaltung und Rechtsprechung nun bei der Beurteilung von Darlehensverträgen einheitliche Grundsätze anlegen. Zudem ermöglicht der erweiterte Begriff der Fremdüblichkeit die weitergehende steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen.
BMF, Schreiben v. 29.04.2014 - IV C 6 - S-2144/07/10004
BFH, Urt. v. 22.10.2013 - X R 26/11
BMF, Schreiben v. 23.12.2010 - IV C 6 - S-2144/07/10004, BStBl 2011 I 37
Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz