Welcher Einkunftsart sind die Aufwendungen eines GmbH-Geschäftsführers für die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft zuzuordnen, wenn dem Geschäftsführer im Vorfeld eine Kapitalbeteiligung in Aussicht gestellt wurde? Der BFH hat entschieden, wann solche Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind. Es kommt demnach auf die Einkunftsart an, welche jeweils wirtschaftlich im Vordergrund steht.
In dem aktuellen Urteil des BFH vom 08.07.2015 ging es um die Frage, bei welcher Einkunftsart die uneinbringlichen Kosten einer Bürgschaftsinanspruchnahme des Arbeitnehmers an seinen Arbeitgeber i.H.v. insgesamt circa 35.000 € im Wege des Werbungskostenabzugs abzugsfähig sind. Der Arbeitnehmer war als Geschäftsführer bei einer GmbH angestellt, für die er im Rahmen einer Darlehensaufnahme eine Bürgschaft einging. Ihm wurde außerdem eine spätere Kapitalbeteiligung an der GmbH in Aussicht gestellt. Die GmbH ging jedoch in die Insolvenz.
Veranlassungszusammenhang zwischen Bürgschaftsverlusten und Einkünften
Das im Streitfall angerufene Finanzgericht ordnete die Verluste dem Bereich der Kapitaleinkünfte zu, da es im Ergebnis von einem Veranlassungszusammenhang mit der in Aussicht gestellten Kapitalbeteiligung ausging. Das Problem hier: (vorweggenommene) Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind grundsätzlich lediglich in Höhe des Pauschbetrags nach § 20 Abs. 9 EStG i.H.v. 801 € bzw. 1.602 € abziehbar. Eventuell denkbar wäre noch eine Berücksichtigung über das Teileinkünfteverfahren im Rahmen der Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG gewesen, allerdings bestand zum Zeitpunkt der Verluste noch keine Beteiligung.
Nach Ansicht des BFH sind die Bürgschaftsverluste grundsätzlich der Einkunftsart zuzuordnen, zu welcher der nähere Bezug bestanden hat. Sollen die Verluste erst zukünftig entstehenden Einkünften zugeordnet werden, so müssen diese bereits hinreichend konkretisiert sein. Ansonsten ist eine Zuordnung zu den gegenwärtigen Einkünften vorzunehmen.
Nach Ansicht des BFH war allerdings der Veranlassungszusammenhang vom Finanzgericht falsch beurteilt worden. Eine Zuordnung der Bürgschaftsverluste zu den Einkünften aus Kapitalvermögen wäre nur dann möglich, wenn die Modalitäten der künftigen Kapitalbeteiligung bereits hinreichend konkretisiert sind. Außerdem müsste die Bürgschaftsübernahme überwiegend durch die Aussicht auf die spätere Kapitalbeteiligung veranlasst gewesen sein.
Dazu wäre es erforderlich zu klären, wie konkret die künftige Beteiligung bereits verhandelt war. Dass die Beteiligung lediglich in Aussicht gestellt wurde, genügte dem BFH hier nicht. Es wären noch weitere Angaben in Bezug auf den Zeitpunkt der Beteiligung sowie auch die letztendliche Höhe erforderlich gewesen. Außerdem muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Beteiligung eben auch deshalb eingeräumt wurde, um den Arbeitnehmer als Geschäftsführer zu halten.
Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit
Bereits im BFH-Urteil vom 10.04.2014 hat das Gericht die insolvenzbedingten Aufwendungen aus dem Ausfall eines Darlehens des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zugeordnet. Die Aufwendungen waren nach Ansicht des BFH überwiegend durch das Interesse der Sicherung des Arbeitsplatzes veranlasst. Auch in dem aktuellen Fall spricht vieles für eine Zuordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Entscheidend dürfte generell sein, wie konkretisiert bereits die Zusage einer späteren Kapitalbeteiligung ausgestaltet war. Lediglich mündliche Vereinbarungen dürften nur schwer den Konkretisierungsanforderungen genügen. Es müsste schon ein konkreter „Fahrplan“ festgelegt sein, unter welchen Bedingungen und zu welchem Zeitpunkt eine Beteiligung erfolgen soll.
Praxishinweis
Relevanz könnte das Besprechungsurteil insbesondere im Bereich der Start-up-Unternehmen entfalten. Dort wäre die im Urteil auftretende Fallkonstellation ggf. noch am ehesten über den Einzelfall hinaus anzutreffen. Aus steuerlicher Sicht wären entsprechende Verluste aus Bürgschaften oder auch aus Darlehen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch am ehesten abziehbar, wenn die Sicherung des Arbeitsplatzes in den Vordergrund gestellt wird. Konkret ausgearbeitete Bedingungen für die spätere Kapitalbeteiligung wären für den Verlustabzug bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit tendenziell schädlich. Allerdings könnten diese generell die Rechtsposition des Arbeitnehmers stärken, dass es überhaupt zu einer solchen Beteiligung kommt. Insoweit wären alle Aspekte – nicht nur die steuerlichen – gegeneinander abzuwägen.
BFH, Urt. v. 08.07.2015 - VI R 77/14
BFH, Urt. v. 10.04.2014 - VI R 57/13, BFHE 245, 330
Quelle: StB, Dipl.-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann