Kann ein Forderungsverzicht unter GmbH-Gesellschaftern Gegenstand einer Schenkung sein? Der BFH hat klargestellt: Eine von den Beteiligungsquoten abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage, die zivilrechtlich zulässig ist, ist auch steuerlich anzuerkennen. Der Forderungsverzicht im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung kann dann eine freigebige Zuwendung darstellen und Schenkungsteuer auslösen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 19.06.2024 (II R 40/21) die Grundsätze, wann in gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen (hier: Auflösung einer gesellschafterbezogenen Rücklage) eine freigiebige Zuwendung liegen kann, weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger K, sein Vater V und sein Bruder B gründeten gemeinsam eine vermögensverwaltende GmbH, an der sie zu gleichen Teilen beteiligt waren.
Später fassten sie den Beschluss, dass die Gesellschafter das bislang in ihrem Privatvermögen gehaltene Kapitalvermögen zur Anlage in die GmbH einbringen. In der Folge brachte V entsprechende Vermögenswerte ein.
Diese Vermögenswerte wurden in Übereinstimmung mit der Satzung der GmbH und den getroffenen Gesellschafterbeschlüssen einer dem V zugeordneten Kapitalrücklage zugeführt. Bei disquotalen Einlagen sollte jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils an den Kapitalrücklagen bleiben.
Anschließend wurde eine Kapitalerhöhung beschlossen, die lediglich B und V zu erbringen hatten, und zwar durch Übertragung von Beteiligungen. Der Mehrwert der Beteiligungen wurde ebenfalls in die Kapitalrücklage eingestellt.
Als Ausgleich der mit der Kapitalerhöhung verbundenen Beteiligungsverminderung des V erhielt dieser eine lebenslange monatliche Rente. Bei der Berechnung der Rente wurde die Kapitalrücklage vor der Kapitalerhöhung allen Gesellschaftern anteilig zugerechnet.
Das Finanzamt sah darin ein teilentgeltliches Geschäft, weil V die Rücklage nicht vollständig zugerechnet worden war, und setzte Schenkungsteuer fest. Das zuständige Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt, der BFH folgte dem aber nicht.
Entscheidung im Besprechungsfall
Der BFH stellt zunächst fest, dass eine von den Beteiligungsquoten abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zivilrechtlich zulässig und grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen ist.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage nach der Satzung der GmbH möglich ist und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt.
Eine Vereinbarung über disquotale Rückzahlungsansprüche in Bezug auf die Kapitalrücklage kann dazu führen, dass ein späterer Verzicht auf eine derartige Forderung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang auslöst.
Da V, als er bewusst auf einen vollen Ausgleich der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage verzichtete, letztlich eine freigebige Zuwendung an den K und den B bewirkte, wies der BFH die Klage ab.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung noch einmal festgestellt, dass gesellschaftsrechtlich wirksame Gesellschafterbeschlüsse über disquotale Einlagen und deren Einstellung in eine gesellschafterbezogene Kapitalrücklage auch steuerrechtlich anzuerkennen sind und - was vor allem wichtig ist - deren Auflösung auch gesellschafterbezogen zu erfolgen hat. Andernfalls liegt eine Schenkung vor, wenn kein Ausgleich erfolgt.
BFH, Urt. v. 19.06.2024 - II R 40/21