Die Frist zur Neuregelung des vom Bundesverfassungsgericht Ende 2014 für verfassungswidrig erklärten Erbschaftsteuergesetzes konnte der Gesetzgeber nicht einhalten. Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln führt diese Verzögerung aber nicht zu einer „Steuerpause“. Auch die in der Zeit nach Ablauf der Frist und der gesetzlichen Neuregelung eingetretenen Erbfälle unterliegen demnach der Erbschaftsteuer.
Das BVerfG hatte mit Urteil vom 17.12.2014 entschieden, dass die Bestimmungen in §§ 13a und 13b ErbStG i.d.F. von 2009 über die Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs begünstigten Vermögens von der Schenkung- und Erbschaftsteuer in mehrfacher Weise nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar seien, und sie für verfassungswidrig erklärt.
Jedoch wurde die Fortgeltung des verfassungswidrigen ErbStG angeordnet und der Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 30.06.2016 eine Neuregelung zu schaffen. Die Frist konnte dieser allerdings nicht einhalten, und es kam es zu Verzögerungen. Eine Neuregelung wurde erst am 09.11.2016 mit Rückwirkung zum 01.07.2016 erlassen.
Mit Urteil vom 08.11.2018 hat das Finanzgericht Köln (FG) entschieden, dass für den Erbfall das ErbStG i.d.F. des ErbStAnpG 2016 vom 09.11.2016 für den Zeitraum zwischen dem 01.07.2016 und dem 09.11.2016 anwendbar ist und der ergangene Erbschaftsteuerbescheid rechtmäßig ist.
Im aktuellen Fall erbte die Steuerpflichtige im August 2016 ein Nettokapitalvermögen von rund 65.000 €. Das Finanzamt setzte nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten und des Freibetrags Erbschaftsteuer fest.
Die Steuerpflichtige wandte sich gegen den Erbschaftsteuerbescheid und beantragte dessen Aufhebung, da für Erbfälle, die nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung, also nach dem 01.07.2016, eingetreten seien, kein ErbStG bestanden habe, auf dessen Grundlage Erbschaftsteuer hätte festgesetzt werden können, und somit eine Festsetzung von Erbschaftsteuer nicht zulässig sei.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bestätigte das FG jedoch die Sichtweise der Finanzverwaltung. Der Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig ergangen.
Auswirkung der Verzögerungen beim Erlass eines neuen ErbStG
Aufgrund der Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren hatte die Finanzverwaltung in gleichlautenden Ländererlassen vom 21.06.2016 mitgeteilt, dass das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung auch für Erbfälle und Schenkungen nach dem 30.06.2016 gelte und die Steuerfestsetzungen vorläufig erfolgen.
Am 09.11.2016 wurde mit dem verkündeten ErbStAnpG 2016 die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 01.07.2016 neu geregelt. Die Neuregelungen stellen eine echte Rückwirkung dar, die jedoch nach Ansicht des FG insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Gesetzgebungsverfahrens verfassungsrechtlich zulässig sei.
Dabei konnten die Steuerpflichtigen auch zum Rückwirkungszeitpunkt zum 01.07.2016 weder auf die weitere Fortgeltung des ErbStG 2009 noch in dessen ersatzlosen Wegfall vertrauen; jedenfalls sei die Rechtsunsicherheit für den begrenzten Zeitraum bis zur Verkündung des ErbStAnpG 2016 hinnehmbar.
Praxishinweis
Das FG hat mit diesem Urteil Stellung zur Weitergeltung des ErbStG nach der vom BVerfG bestimmten Weitergeltungsanordnung bis zum 01.07.2016 und dem am 09.11.2016 verabschiedeten ErbStAnpG genommen. Nach Ansicht des FG bestand für diesen Zeitraum keine ausreichende Rechtsunsicherheit und es liege eine verfassungsgemäße Rückwirkung vor.
Ferner führt das FG aus, dass es davon überzeugt sei, dass das ErbStG 2016 in materiell-rechtlicher Hinsicht nun verfassungskonform ist. Steuerpflichtige sollten den weiteren Verfahrensgang beachten und entsprechend reagieren. Eine Revision ist unter BFH-Az. II R 1/19 anhängig.
FG Köln, Urt. v. 08.11.2018 - 7 K 3022/17
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper