Wann liegt bei der Übertragung von Unternehmensanteilen schädliches Verwaltungsvermögen nach dem ErbStG vor? Der BFH hat klargestellt, dass geleistete Anzahlungen keine „anderen Forderungen“ sind und damit nicht zum Verwaltungsvermögen gehören, wenn sie nicht für den Erwerb von Verwaltungsvermögen geleistet wurden. Im Streitfall waren GmbH-Anteile in einer Familie per Schenkung übertragen worden.
Mit Urteil vom 01.02.2023 (II R 36/20) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass geleistete Anzahlungen bei der Bestimmung des Anteils von schädlichem Verwaltungsvermögen für die Ermittlung der Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG grundsätzlich nicht einzubeziehen sind.
Anzahlungen werden bilanziell vor dem Hintergrund erfasst, dass eine Bilanzierung der erhaltenen Ansprüche nicht möglich ist. Daher sind die bilanzierten Anzahlungen nicht als „andere Forderungen“ i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. als Verwaltungsvermögen zu erfassen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Anteile schenkungsweise übertragen wurden. Aufgrund dieser Übertragung wurden der Wert des Anteils an der Gesellschaft gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG und die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gem. § 13b Abs. 2a ErbStG gesondert festgestellt.
Bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens setzte das Finanzamt (FA) Anzahlungen i.H.v. 3.243.361 € im Zusammenhang mit einem Verwaltungsneubau sowie i.H.v. 626.673 € im Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb als „andere Forderungen“ i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. an.
Gegen diesen Ansatz wendete sich die Klägerin im Einspruchs- sowie Klageverfahren. Nach Auffassung der Klägerin sei der Begriff der „anderen Forderungen“ gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG a.F. restriktiv auszulegen und umfasst lediglich Forderungen, die auf Geld gerichtet sind.
Die geleisteten Anzahlungen verkörperten dagegen Sachleistungsansprüche. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Auch der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG
Wird Betriebsvermögen im Wege der Schenkung oder Erbschaft übertragen, ist dieses grundsätzlich gem. §§ 13a, 13b ErbStG zu 85 % steuerlich begünstigt. Dies gilt jedoch nur, soweit das Betriebsvermögen nicht als Verwaltungsvermögen qualifiziert wird.
Zu dem Verwaltungsvermögen gehört der Bestand an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, welche gem. § 13b Abs. 4 Nr. 4a ErbStG den Wert des Betriebsvermögens um 15 % übersteigen.
Der Begriff der „anderen Forderungen“ ist dabei umstritten. In Teilen der Literatur wird vertreten, dass unter diese Vorschrift sämtliche Sachleistungsansprüche gefasst werden, die bei Erfüllung wiederum Verwaltungsvermögen begründen.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Ansicht des BFH sind unter die „anderen Forderungen“ i.S.d. Vorschrift in erster Linie Zahlungsmittel zu fassen. Sachleistungsansprüche werden unter diese Vorschrift nicht gefasst, soweit diese auf Wirtschaftsgüter gerichtet sind, die nicht Teil des Verwaltungsvermögens gewesen wären.
Der Begriff ist vielmehr als finanzmittelbezogener Typusbegriff zu verstehen. Die unter der Bilanzposition „geleistete Anzahlungen“ bilanzierten Aktiva stellen keine „anderen Forderungen“ i.S.d. Vorschrift dar. Der BFH sieht diese Bilanzposition bereits nicht als Forderung an.
Mit der Bilanzierung von „geleisteten Anzahlungen“ wird vielmehr bezweckt, dass die aufgrund der Anzahlungen erhaltenen Ansprüche nicht bilanziert werden müssen, weshalb geleistete Anzahlungen nicht mit derartigen Sachleistungsansprüchen gleichgesetzt werden können.
Der BFH kommt somit zu dem Schluss, dass geleistete Anzahlungen bereits dem Grunde nach nicht als Forderungen einzuordnen sind.
Praxishinweis
Der BFH traf die Entscheidung zu der alten Fassung des § 13b ErbStG, welche bis zum 30.06.2016 anzuwenden war. Der Urteilsspruch kann jedoch auf die Neufassung übertragen werden. Im neuen Recht ist der Begriff „andere Forderungen“ auch mit einem Klammerzusatz (Zahlungsmittel) ergänzt.
Von der Vorschrift sind somit Forderungen umfasst, die auf Zahlungen gerichtet sind. Offengelassen hat der BFH in seinem Urteil jedoch, ob Anzahlungen auch nicht als Forderungen zu aktivieren wären, wenn sie für Wirtschaftsgüter geleistet worden sind, die ihrerseits Verwaltungsvermögen wären.
BFH, Urt. v. 01.02.2023 - II R 36/20