Wertermittlung bei nicht börsennotierter Kapitalgesellschaft

Wie ist bei der Erbschaftsteuer ein GmbH-Anteil zu bewerten? Nach dem BFH gilt: Um den gemeinen Wert der Anteile zu ermitteln, hat allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den verschiedenen Ertragswertverfahren. Unter Umständen muss das Finanzgericht weitere geeignete Maßnahmen zur Sachaufklärung ergreifen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren stellt aber insoweit keine Auffangmethode dar.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem aktuellen Urteil vom 02.12.2020 (II R 5/19) darüber entschieden, nach welchem Verfahren die Anteile an einer nicht börsennotierten Gesellschaft nach dem Bewertungsgesetz zu bewerten sind.

Sachverhalt im Besprechungsfall

E, welcher von seiner Ehefrau K beerbt wurde, war mit einem Geschäftsanteil von circa 

17 % Gesellschafter einer GmbH. Im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer entstand Streit darüber, ob der Wert des Anteils im vereinfachten Ertragswertverfahren zu ermitteln sei. 

K legte ein Gutachten unter Anwendung des Ertragswertverfahrens entsprechend den „Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer, Standard 1 (IDW S 1), vor, das einen geringeren Wert auswies. Das Finanzamt (FA) hielt an seinem Wertansatz fest, das Finanzgericht (FG) folgte dem weitgehend, während der BFH den Fall anders sah.

Bewertung nicht börsennotierter Gesellschaften bei der Erbschaftsteuer

Nicht an der Börse notierte GmbH-Anteile sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Liegen zeitnahe Verkäufe, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte, nicht vor, so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. 

Die Ermittlung des Werts der Beteiligung kann durch eine individuelle Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere durch eine solche gem. IDW S 1.

Anstelle eines individuellen Ertragswertverfahrens kann auch das vereinfachte Ertragswertverfahren angewendet werden, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. 

Die Vorschriften in Bezug auf das vereinfachte Ertragswertverfahren gewähren allein dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zur Anwendung dieser Methode. Entscheidet sich der Steuerpflichtige gegen das vereinfachte Ertragswertverfahren (durch Vorlage eines unter Beachtung von IDW S 1 erstellten individuellen Gutachtens), kann das vereinfachte Ertragswertverfahren nach dem Bewertungsgesetz (BewG) auch nicht nach Art eines Auffangtatbestands der Bewertung zugrunde gelegt werden. 

Das gilt auch dann, wenn der Unternehmenswert bislang unzureichend ermittelt worden ist. Ein Vorrang bzw. eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit für einen mittels des vereinfachten Ertragswertverfahrens ermittelten Wert besteht nicht. 

Nur in dem Fall, in dem das vereinfachte Ertragswertverfahren zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt, soll sich der Unternehmens- bzw. Anteilsinhaber nicht auf dieses Verfahren berufen und die Finanzverwaltung die Möglichkeit haben können, die Anwendung des Verfahrens abzulehnen.

Besteht Streit über die Richtigkeit der Methodik eines Gutachtens zur Ermittlung des gemeinen Werts oder streiten sich die Beteiligten über den Ansatz einzelner Berechnungsparameter eines ansonsten methodisch beanstandungsfreien Gutachtens, so muss das FG für Sachaufklärung sorgen.

Vorgehensweise bei einem unvollständigen Gutachten

Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, berechtigt dies jedoch das FG nicht ohne Weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen. Etwaige Lücken im Gutachten können vom FG selbst geschlossen werden, soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist. 

Sind somit nach Auffassung des FG einzelne Parameter eines durch den Steuerpflichtigen vorgelegten Gutachtens nicht plausibel, muss das FG von Amts wegen entweder die beanstandeten Lücken schließen oder dem Steuerpflichtigen die entsprechende Nachbesserung des Gutachtens aufgeben.

Erachtet das Gericht indes das Gutachten für ungenügend, kann es eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen. Hiervon absehen kann das FG nur dann, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt. 

Die Verpflichtung des FG zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gilt auch, wenn der Steuerpflichtige sein Wahlrecht des vereinfachten Ertragswertverfahrens nicht ausgeübt hat. Legt der Steuerpflichtige stattdessen ein Gutachten nach einem anerkannten Verfahren vor, können weder das FA noch das FG ohne Weiteres dem vereinfachten Ertragswertverfahren den Vorrang einräumen.

Anwendung dieser Grundsätze auf den Besprechungsfall

Das FG hat das Recht der K, den gemeinen Wert des Anteils an der GmbH durch das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 zu ermitteln, nicht hinreichend beachtet. Die gutachterliche Stellungnahme, die K vorgelegt hat, kann der Wertermittlung als Ausgangspunkt zugrunde gelegt werden. 

Das FG hätte deswegen der K die Möglichkeit geben müssen, die bzgl. der sonstigen Parameter (z.B. der historischen Ertragslage der GmbH) nicht beanstandete gutachterliche Stellungnahme in den durch das FG kritisierten Punkten nachzubessern und zu ergänzen. Alternativ hätte das FG selbst ein neues Gutachten in Auftrag geben müssen. 

Der BFH hat daher die Vorentscheidung aufgehoben. Die fehlenden Feststellungen muss das FG im zweiten Rechtsgang nachholen und den gemeinen Wert des Anteils nach der Methodik des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ermitteln.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung geklärt, wie die Bewertung von Anteilen an einer nicht börsennotierten Gesellschaft vorzunehmen ist: Für die Ermittlung des gemeinen Werts hat allein der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einem individuellen Ertragswertverfahren gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens gem. §§ 199 ff. BewG. 

Kann sich das FG auf Grundlage der Wertermittlung des Steuerpflichtigen gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG keine ausreichende Überzeugung von dem gemeinen Wert des Anteils bilden, hat es von Amts wegen geeignete Maßnahmen zur Sachaufklärung zu ergreifen, um den gemeinen Wert zu ermitteln. Die Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren stellt keine Auffangmethode dar.

BFH, Urt. v. 02.12.2020 - II R 5/19

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht