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Einkommensteuer -

Kapitalgesellschaft: Wertansatz bei Bestimmung des Veräußerungsgewinns

Welcher Wert ist bei der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen für die Gewinnermittlung anzusetzen? Nach dem BFH ist hierbei von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen. Der Ansatz des gemeinen Werts zum Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle scheidet aus. Nach dem 31.03.1999 entstandene Wertverluste müssen nicht aus Vertrauensschutzgründen steuerlich berücksichtigt werden. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat seine Grundsätze zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Sinne des § 17 EStG in der Entscheidung vom 05.04.2022 (IX R 19/20) weiter konkretisiert.

Sachverhalt und Entscheidung im Besprechungsfall

Die Kläger K und E waren zu 25 % (K) bzw. 8 % (E) an der W GmbH seit deren Gründung im Jahr 1988 beteiligt. Vom 20.02.2007 bis zum 16.02.2011 hielt die W GmbH eigene Anteile, so dass sich ohne diese Anteile eine Beteiligungsquote von 37,88 % (K) bzw. 12,12 % (E) ergab. 

Im Jahr 2011 veräußerten K und E ihre Geschäftsanteile an der W GmbH mit Wirkung zum 01.01.2013. Beide machten für das Jahr 2013 einen Verlust aus der Veräußerung der Anteile geltend, indem sie den gemeinen Wert der Anteile zum 31.03.1999 ansetzten. 

Darüber entstand ein Streit, weil das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) stattdessen von den tatsächlichen Anschaffungskosten ausgingen. Der BFH folgte der Ansicht des FG.

Wertansatz bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns

Unstreitig haben K und E den Tatbestand des § 17 EStG erfüllt. Bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote sind eigene Anteile der Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen. Allerdings ist die Ermittlung des Veräußerungsgewinns streitig: 

Der Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten sind Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.

Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen. Dabei kommt nach Ansicht des BFH der Ansatz des gemeinen Werts im Zeitpunkt der „Verstrickung“ anstelle der Anschaffungskosten nicht in Betracht. Das Hineinwachsen in die Steuerpflicht ist regelmäßig Folge des Handelns des Steuerpflichtigen und damit seiner Dispositionsfreiheit. 

Dies gilt für den Fall des Erwerbs eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft zwar nur bedingt, aber auch diese vom Anteilseigner jedenfalls theoretisch beeinflussbaren Umstände sind letztlich der Sphäre des Steuerpflichtigen und nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen. 

Den Steuerpflichtigen standen zudem Möglichkeiten zur Verfügung, um die Steuerverstrickung der bereits gebildeten stillen Reserven zu verhindern (z.B. durch die Einlage der Beteiligung in ein Betriebsvermögen).

Bei E liegt ein spezieller Fall vor: Bei einer Beteiligungsquote von 12,12 %, d.h. ohne die eigenen Anteile der Gesellschaft, durften für E die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht der Besteuerung unterworfen werden. 

Dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz ist Genüge getan, wenn die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen nicht besteuert werden. Danach entstandene Wertverluste müssen aus Gründen des Vertrauensschutzes steuerlich nicht berücksichtigt werden. 

Gleichwohl hat E aus der Anteilsveräußerung im Ergebnis keinen Verlust erlitten, sondern einen Gewinn erzielt. 

Dieser verkörpert den über die Haltedauer der Beteiligung akkumulierten Zuwachs an Leistungsfähigkeit und steht der Berücksichtigung eines nur rechnerischen, nicht mit einer entsprechenden Leistungsfähigkeitsminderung einhergehenden Verlusts entgegen. Dies entspricht nach Ansicht des BFH auch der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Praxishinweis

Im Ergebnis werden im Besprechungsfall Wertsteigerungen zwischen dem Erwerbszeitpunkt und dem 31.03.1999 verfassungsrechtlich geschützt, soweit sie in einem realisierten Veräußerungsgewinn (als Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und den historischen Anschaffungskosten) enthalten sind. Der Vertrauensschutz kann nicht so weit gehen, dass die Steuerfreistellung von „Buchgewinnen“ zur Entstehung von steuerbaren Veräußerungsverlusten führt.

BFH, Urt. v. 05.04.2022 - IX R 19/20

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