Wann gilt nach § 6a GrEStG die Steuerbefreiung für Umwandlungen im Konzern? Der BFH hat die Voraussetzungen der Konzernklausel näher geklärt und dabei der Finanzverwaltung widersprochen. Demnach gilt die Steuerbegünstigung für alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind - unabhängig davon, ob die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen gehalten wird.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in sieben Entscheidungen am 21.08.2019 und am 22.08.2019 - II R 15/19 (und weitere: II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19) seine Grundsätze zur Konzernklausel in der Grunderwerbsteuer (§ 6a GrEStG) weiter konkretisiert.
Sachverhalte in den Besprechungsfällen
In den Besprechungsfällen hatte zum einen ein im Handelsregister eingetragener Unternehmer (sowohl Einzelkauffrau als auch Kapitalgesellschaften) durch einen Vorgang nach dem UmwStG Teile seines Vermögens in eine neu gegründete Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, wobei das eingebrachte Vermögen jeweils Grundvermögen beinhaltete.
Zum anderen hatte das beherrschende Unternehmen zwei Tochterunternehmen miteinander verschmolzen, wobei die Tochterunternehmen über Grundbesitz verfügten.
In allen Fällen setzte das zuständige Finanzamt Grunderwerbsteuer fest, wogegen sich die Steuerpflichtigen unter Hinweis darauf wehrten, dass die fragliche Gestaltung gem. § 6a GrEStG steuerfrei sein müsste. Streitig ist dabei entweder, welche Voraussetzungen das herrschende Unternehmen i.S.d. Vorschrift erfüllen und/oder über welche Zeiträume das Beteiligungsverhältnis mit dem Konzernunternehmen bestanden haben muss.
Anforderungen an das herrschende Unternehmen
Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist nicht auf Unternehmen i.S.d. UStG beschränkt. Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S.d. GrEStG, welche wirtschaftlich tätig sind. Der weite Anwendungsbereich betrifft auch die Rechtsform des Unternehmens. Herrschende Unternehmen können daher Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind.
Der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft kann herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG sein. Er ist über seine Beteiligung an der Gesellschaft wirtschaftlich tätig. Eine Einschränkung des Tatbestands dahingehend, dass nur bestimmte Verschmelzungsvorgänge von § 6a GrEStG erfasst sein sollen, ist nach Ansicht des BFH der Vorschrift nicht zu entnehmen.
Aus dem Begriff „Unternehmen“ lässt sich zudem nicht herleiten, dass für die Anwendung des § 6a GrEStG die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten werden müsste.
Die Vorschrift ist folglich auch anwendbar, wenn die Beteiligung im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten wird. Dies gilt selbst dann, wenn eine Kapitalgesellschaft auf ihren Alleingesellschafter verschmolzen wird und dieser das Vermögen der Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolger übernimmt.
Erfordernis der Vor- und Nachbehaltensfrist
§ 6a Satz 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist). Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut nicht in den Anwendungsbereich.
Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente Gesellschaft kann die zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen mit der Folge, dass entgegen den Anforderungen der Vorschrift an dem Umwandlungsvorgang auch (mindestens) eine Gesellschaft beteiligt wäre, die mangels Einhaltung der Nachbehaltensfrist (im Fall des Erlöschens) bzw. der Vorbehaltensfrist (im Fall der Neugründung) nicht von dem herrschenden Unternehmen „abhängig“ wäre.
Der BFH wendet die Vorschrift über diesen Wortlaut hinaus auch auf Umwandlungsvorgänge an, bei denen einer der beteiligten Rechtsträger entsteht. Der BFH begründet dies damit, dass die Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können.
Folglich muss bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen. Entsprechendes gilt, wenn mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften an dem Umwandlungsvorgang beteiligt sind.
In diesem Fall muss bei der Verschmelzung die Nachbehaltensfrist nur in Bezug auf die aufnehmende Gesellschaft und die Vorbehaltensfrist in Bezug auf die beiden abhängigen Gesellschaften eingehalten werden. Bei einer Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung muss die Vorbehaltensfrist nur in Bezug auf die abgebende Gesellschaft und die Nachbehaltensfrist in Bezug auf beide abhängigen Gesellschaften eingehalten werden.
Der BFH begründet seine (weite) Auslegung mit der Systematik der Vorschrift. Die Vorschrift bezieht sich offensichtlich auf die Verschmelzung, die Auf- und Abspaltung sowie die Ausgliederung von Vermögen zur Neugründung und die Vermögensübertragung und ohne Vorbehalt auf bestimmte Umwandlungsfälle.
§ 6a Satz 1 GrEStG differenziert nicht danach, in welcher Richtung, horizontal auf eine Schwestergesellschaft oder vertikal auf die Muttergesellschaft, eine Gesellschaft verschmolzen wird. Stattdessen werden alle dort genannten Umwandlungsvorgänge gleichermaßen begünstigt, auch wenn nur ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft an dem Umwandlungsvorgang beteiligt sind.
Diese Auslegung entspricht nach Ansicht des BFH ebenfalls dem Zweck des § 6a GrEStG. Der Gesetzgeber wollte durch diese Steuerbegünstigung Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns erleichtern, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können.
Das schließt auch solche Umwandlungsvorgänge ein, durch die ein Konzern beendet oder neu begründet wird. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, nur bestimmte Umwandlungsvorgänge, z.B. Verschmelzungen auf Schwestergesellschaften, zu begünstigen.
Entscheidungen in den Besprechungsfällen
Nach diesen Grundsätzen ist die Grunderwerbsteuer in keinem der Besprechungsfälle zu erheben, weil die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung jeweils erfüllt sind. Der BFH gab daher den Klagen statt.
Praxishinweis
Der BFH hat mit diesen Entscheidungen den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ausgedehnt: Das herrschende Unternehmen muss nicht Unternehmer i.S.d. UStG sein. Erfasst werden vielmehr alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind, und zwar unabhängig davon, ob die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privat- oder im Betriebsvermögen gehalten wird.
Daher wird von der Steuerfreiheit auch der Fall erfasst, dass eine abhängige Gesellschaft auf eine natürliche Person als herrschendes Unternehmen verschmolzen wird oder dass eine abhängige Gesellschaft durch Ausgliederung aus einem herrschenden Unternehmen neu entsteht.
Die erforderlichen Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können, d.h., dass z.B. bei der Ausgliederung zur Neugründung das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach der Ausgliederung zu mindestens 95 % an der neu gegründeten Gesellschaft beteiligt bleiben muss (Nachbehaltensfrist).
Die Vorbehaltensfrist muss in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Ausgliederung nicht eingehalten werden kann. Dementsprechend muss bei der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an der verschmolzenen abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Gleiches gilt bei der Abspaltung.
Vor diesem Hintergrund muss bei der Verschmelzung zweier von einer dritten Gesellschaft abhängigen Gesellschaften das herrschende Unternehmen fünf Jahre vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an beiden abhängigen Gesellschaften ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diese Grundsätze bei künftigen Umstrukturierungen übernehmen wird.
BFH, Urt. v. 21.08.2019 - II R 15/19 (II R 50/13), II R 16/19 (II R 36/14), II R 19/19 (II R 63/14), II R 20/19 (II R 53/15), II R 21/19 (II R 56/15)
BFH, Urt. v. 22.08.2019 - II R 17/19 (II R 58/14), II R 18/19 (II R 62/14)
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht