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Schätzung der üblichen Miete im Ertragswertverfahren

Dürfen Mietspiegel bei der Bewertung von Immobilien herangezogen werden? Der BFH hat entschieden, dass Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete im Ertragswertverfahren der Einheitsbewertung zulässig sind, wenn vergleichbare vermietete Objekte nicht vorhanden sind. Der Mietspiegel muss aber den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und soll nur als Grundlage für die Schätzung dienen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.09.2018 entschieden, dass die Heranziehung eines auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 aufgestellten Mietspiegels für die Schätzung der üblichen Miete im Ertragswertverfahren der Einheitsbewertung zulässig ist, wenn keine vergleichbaren vermieteten Objekte vorhanden waren und der Mietspiegel in seinen Aufgliederungen den vom Gesetz gestellten Anforderungen entspricht.

Dabei kann der Mietspiegel mit einer gewissen Datenbreite lediglich als Schätzungsgrundlage dienen, so dass Fehler in einzelnen Datengrundlagen keinen unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerung haben.

Sachlage im Streitfall

Die Steuerpflichtige ist seit dem Jahr 1985 Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem 1966 ein Einfamilienhaus errichtet wurde, das im Jahr 1996 durch einen Anbau zu einem Zweifamilienhaus umgebaut wurde. Das zuständige Finanzamt (FA) erließ einen Bescheid über die Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1997 und stellte den Einheitswert fest.

Dazu ermittelte es die Jahresrohmiete anhand eines auf den 01.01.1964 zum Zweck von Nachfeststellungen und Wertfortschreibungen selbsterstellten Mietspiegels für Ein- und Zweifamilienhäuser.

Dieser Mietspiegel enthält Angaben über Quadratmeterpreise und wurde auf Basis von Listen bzw. Kontrollmitteilungen der Ertragsteuerstellen ermittelt. Er ist aufgeteilt in einzelne Gemeindegebiete und differenziert hinsichtlich der Ausstattung der Häuser zwischen den Standards „einfach“, „mittel“ und „gut“. Aufgrund der Ortsrandlage des Grundstücks der Steuerpflichtigen und eines ungünstigen Zuschnitts legte das FA eine übliche Miete für den Standard „ einfach“ zugrunde.

Im Jahr 2010 beantragte die Steuerpflichtige, den Einheitswertbescheid zu korrigieren, da die angesetzte Miete pro Quadratmeter zu hoch sei. Das FA führte daraufhin eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung durch und erhöhte den Einheitswert.

Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Das daraufhin angerufene Finanzgericht Köln (FG) hob den geänderten Einheitswertbescheid auf, wies aber im Übrigen die Klage ab, den ursprünglichen Einheitswert zu reduzieren. Der in Revision angerufene BFH bestätigte das Urteil des FG und wies die Klage als unbegründet zurück.

Einheitswertfortschreibung aufgrund eines Fehlers

Grundsätzlich ist der Einheitswert nach § 22 Abs. 3 BewG zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung neu fortzuschreiben. Dabei meint der Begriff „Fehler“ alle Rechtsfehler. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob diese offensichtlich oder unmittelbar einsichtig sind, sondern nur darauf, dass die getroffene Regelung geltendem Recht widerspricht.

Eine Fortschreibung ist vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Fortschreibungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird.

Eine anderweitige Schätzung ist aber kein ausreichender Grund, um eine bei einer früheren Einheitswertfeststellung vorgenommene Schätzung als fehlerhaft zu klassifizieren. Ein solcher Fehler darf nur dann angenommen werden, wenn die ursprüngliche Schätzung der Jahresrohmiete außerhalb jeder vernünftigen Überlegung liegt.

Insbesondere betont der BFH, dass auch die Vorschriften über die Einheitsbewertung anwendbar waren, obwohl sie jedenfalls seit dem 01.01.2002 nicht mehr verfassungsgemäß sind, da sie laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angewandt werden dürfen.

Bewertung nach dem Ertragswertverfahren

Grundsätzlich erfolgt die Bewertung bebauter Grundstücke abhängig von der Grundstücksart regelmäßig im Ertragswertverfahren, in Ausnahmefällen im Sachwertverfahren. Für Zweifamilienhäuser findet das Ertragswertverfahren Anwendung.

Die Höhe des Einheitswerts basiert auf dem Grundstückswert, der sich durch Anwendung des im BewG enthaltenen Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung gewisser pauschaler Ermäßigungen und Erhöhungen ergibt. Die Jahresrohmiete richtet sich nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete oder nach der üblichen Miete.

Praxishinweis

Der BFH hatte das Ruhen dieses Revisionsverfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens 1 BvL 11/14 am BVerfG angeordnet. Mit seinem Urteil hat das BVerfG entschieden, dass Bewertungen gemäß BewG, soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 01.01.2002 unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG sind.

Dabei wurde dem Gesetzgeber aufgetragen, spätestens bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Steuerpflichtige sollten beachten, dass auch nach Verkündung einer Neuregelung die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre, längstens jedoch bis zum 31.12.2024 angewandt werden dürfen.

BFH, Urt. v. 19.09.2018 - II R 20/15

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper