Stellt das häusliche Arbeitszimmer den „Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung“ dar, wenn Pensionäre selbstständige Einkünfte erzielen? Der BFH stellte klar: Vorsorgebezüge aus einer Pension sind für die Gesamtbeurteilung der relevanten Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Die Richter äußerten sich auch zum Verteilungsschlüssel der Gebäudekosten bei einem Kellerbüro.
Dem BFH lag ein anschaulicher Fall zum Gesamtkomplex „häusliches Arbeitszimmer“ vor. Es waren letztlich vier Problemkreise zu entscheiden:
- Liegt ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt vor?
- Ist dieses Arbeitszimmer Mittelpunkt für die gesamte betriebliche und berufliche Tätigkeit?
- Sind alle Tätigkeiten Ausgangspunkt für die Basis der Qualifizierung/Verifizierung des Arbeitszimmers oder stehen nur die aktiven Tätigkeiten im Vordergrund, bei denen durch aktives Zutun eine Nutzenziehung erfolgt?
- Wie setzt sich der Flächenschlüssel zusammen?
Sachverhalt
Ein Ingenieur stand bis zum 31.03.2007 in einem aktiven Dienstverhältnis. Wegen seines Einsatzes an verschiedenen Baustellen war ein schreibtischgebundenes Arbeiten nicht erforderlich. Bis zum 31.03.2007 hatte er insgesamt 13.000 € Gehaltsbezüge, für die übrigen Monate erhielt er 27.000 € Versorgungsbezüge von seinem Dienstherrn.
Weiterhin hatte er zusammen mit seiner Ehefrau in 2007 negative Einkünfte von minus 3.000 € aus der Vermietung einer Eigentumswohnung und 1.500 € Einnahmen aus Kapitalvermögen, die nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags und des Sparer-Freibetrags nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führten.
Ab dem 01.07.2007 hatte der Kläger bis 2009 eine weitere Tätigkeit als selbständiger Gutachter, durch die er in 2007 nur 700 €, in 2008 17.000 € und in 2009 51.000 € an Einnahmen erzielte. Für diese Gutachtertätigkeit nutzte der Ingenieur ein ca. 27 qm großes Arbeitszimmer im Keller seines privat genutzten Einfamilienhauses (136 qm Wohnfläche). Das Kellergeschoss gehörte mit 109 qm Grundfläche nicht zur Wohnflächenberechnung. Das Arbeitszimmer im Keller (Souterrain) verfügte über zwei Fenster, die zur besseren Tageslichtausnutzung mit Lichtschächten ausgekoffert waren.
Das Arbeitszimmer hatte die für Wohnräume üblichen Wand- und Bodenbeläge und war mit Büromöbeln ausgestattet, inklusive Heizungsanschluss. Für 2007 machte der Ingenieur 16 % der gesamten Hauskosten geltend, den Flächenanteil berechnete er aus der Gesamtwohnfläche zuzüglich Arbeitszimmerfläche (137 qm + 27 qm). Das FA erkannte bei der ESt-Veranlagung diese Kosten jedoch nicht an, weil die dortige Tätigkeit nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit sei.
Verfahrensgang
Das FG ging von einer Gesamtfläche von 244 qm (Wohnfläche + Kellerfläche) aus und erkannte - nach mehreren Änderungsbescheiden durch das FA - 10 % der Hauskosten als Betriebsausgaben an. Der Senat hatte nun Gelegenheit, anhand dieses anschaulichen Falls die Gesamtproblematik „häusliches Arbeitszimmer“ abzuarbeiten.
Gesetzliche Lage
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der Fassung des JStG 2010 lässt die Abzugsfähigkeit der anteiligen Hauskosten bei einem Arbeitszimmer - begrenzt auf 1.250 € jährlich - nur dann zu, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ein darüber hinausgehender Abzug ist nur möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt dieser gesamten Betätigung darstellt.
Kellerraum als häusliches Arbeitszimmer
Auch ein entsprechend ausgestatteter Kellerraum kann Arbeitszimmer sein, wenn er in die häusliche Sphäre eingebunden ist. Das Zimmer muss nicht unbedingt Teil der Wohnfläche sein.
Mittelpunkt der Betätigung
Der Mittelpunkt ist - für alle Berufsgruppen gleichermaßen - nach dem (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen zu bestimmen. Hierbei ist die Tätigkeit nicht nur im reinen Wortsinn (d.h. als aktives Tun), sondern in einem umfassenderen Sinn zu beziehen. Diese Begriffserweiterung beinhaltet auch Tätigkeiten, bei denen durch „Nutzenziehung“ Einnahmen zufließen, wie es etwa bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und teilweise auch bei sonstigen Einkünften der Fall ist.
Andererseits gelingt es dem BFH durch die Begriffsbestimmung im „umfassenderen Sinne“, die Einkünfte aus früheren Dienstleistungen nach § 19 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 EStG (= Pension, Rente) auszunehmen, weil der Steuerpflichtige nach Versetzung in den Ruhestand nicht durch eine Tätigkeit seinerseits Einfluss auf Grund und Höhe der Bezüge nehmen könne.
Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung verbietet es auch, die aktive Tätigkeit aus früheren Veranlagungszeiträumen in spätere Besteuerungsabschnitte mit einzubeziehen. Somit sind bei der Bestimmung des qualitativen Mittelpunkts nur diejenigen Einkünfte zu betrachten, die grundsätzlich ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen erfordern.
Kritik an der Ansicht des BFH
Die aktive Tätigkeit als Ingenieur bis zum 31.03.2007 darf sich also nicht mehr auf die Zeit ab dem 01.04.2007 auswirken, obwohl beide Zeiträume im selben Streitjahr liegen. Insoweit hinkt das zusätzliche Argument der Besteuerung nach Veranlagungszeiträumen.
Mittelpunkt der Haupttätigkeit ist maßgebend
Zunächst ist für jede maßgebende Tätigkeit der Betätigungsmittelpunkt zu bestimmen, sodann sind der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit (insbesondere nach Höhe und Zeitaufwand) und davon wieder der Mittelpunkt auszuwählen. Folgerichtig hat das FG die Pensionseinnahmen nicht berücksichtigt und die geringfügige Vermietungstätigkeit zurücktreten lassen.
Flächenschlüssel bei Aufteilung der Kosten für betrieblich genutzte Nebenräume
Die Fläche des Arbeitszimmers ist zur Gesamtfläche aller Räume des Gebäudes (betrieblich und privat genutzte) in Verhältnis zu setzen, denn ansonsten bleibt der auf die außerbetrieblich genutzten Nebenräume entfallende und damit privat veranlasste Kostenanteil unberücksichtigt. Das im Keller gelegene Arbeitszimmer kann dann Wohnstandard haben, wenn es zum dauernden Aufenthalt von Menschen - wie hier - geeignet und bestimmt ist. Darüber hinaus ist zur Berechnung der Wohnfläche die Wohnflächenflächenverordnung zu beachten, die ab 2004 die 2. Berechnungsverordnung abgelöst hat.
Flächenschlüssel bei Aufteilung der Kosten für betrieblich genutzte Haupträume
Hierfür ist die Fläche des Arbeitszimmers ins Verhältnis der Gesamtwohnfläche einschließlich der Fläche des Arbeitszimmers zu setzen. Das sind hier 16 % der Gesamthauskosten der zweiten Jahreshälfte 2007.
Praxishinweis
Sicherlich ist dieses Urteil auch auf solche Ruheständler anzuwenden, die ihre Rente von der Bundesrentenanstalt oder dem ehemaligen Arbeitgeber beziehen. Dieser Personenkreis kann also auch weiterhin einen Teil der Kosten für das Wohnhaus - unabhängig davon, ob zu Eigentum oder zur Miete - absetzen, wenn (bereits vorhandene oder durch Umbau „zum Wohnen“ geschaffene) Räumlichkeiten für eine weitere steuerpflichtige Erwerbstätigkeit genutzt werden.
BFH, Urt. v. 11.11.2014 - VIII R 3/12
Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann