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Arbeitszimmer: BFH klärt Absetzbarkeit bei mehreren Einkunftsarten

Bei Tätigkeiten, für die kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist beim häuslichen Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ein begrenzter Steuerabzug möglich. Unbeschränkt absetzbar sind Kosten nur dann, wenn das Zimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Aber was gilt, wenn insoweit mehrere Tätigkeiten bzw. Einkunftsarten zusammentreffen?

Die zusammenveranlagten Eheleute bezogen im Jahr 2007 erhebliche Einkünfte im sechsstelligen Bereich aus allen Einkunftsarten (außer Land- und Forstwirtschaft), wobei sie gemeinsam auch Einkünfte aus Vermietung und Kapitalvermögen hatten.

Der Ehemann unterhielt ein häusliches Arbeitszimmer, für das ca. 8.000 € Aufwendungen angefallen waren. In der Einkommensteuererklärung wurden diese Aufwendungen zu jeweils 30 % dem selbständigen und dem nichtselbständigen Bereich und zu 40 % den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet.

Das FA strich diese Aufwendungen in allen erklärten Einkunftsbereichen vollständig. Dagegen ging das Ehepaar vor. Daraufhin wurden im Finanzgerichtsverfahren vom FA lediglich 1.250 € als Abzug bei selbständiger Arbeit zugelassen. Die Eheleute begehrten auch weiterhin den Abzug aller Aufwendungen.

Der BFH wies die Klage als unbegründet zurück, weil das Ehepaar über den gewährten Betrag von 1.250 € hinaus keinen Anspruch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG habe. Außerdem könne sich der Anspruch auf ein Arbeitszimmer bei Tätigkeiten für mehrere Einkunftsbereiche nicht vervielfältigen.

Kontinuierliche Verschärfung der Rechtslage

Seit 1996 hat sich durch immer schärfere Einschränkungen des Gesetzgebers die Abzugsfähigkeit der Kosten des häuslichen Arbeitszimmers zu einem grundsätzlichen Abzugsverbot mit gewissen Ausnahmen entwickelt. Bis 2009 war es noch möglich, derartige Kosten als Betriebsausgaben abzuziehen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete, auch wenn für diese Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Erst ab 2010 hat sich die Rechtslage weiterhin verschärft.

Erläuterungen des BFH

Zur Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung kann auch weiterhin auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden; insoweit erfolgt auch mit dem vorliegenden Urteil keine Änderung. Der Senat erläutert dies anschaulich mit Fallgruppen:

  • Eine einzige berufliche Tätigkeit wird teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausgeübt:

Der Mittelpunkt der Tätigkeit ist dann im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Steuerpflichtige dort diejenigen Handlungen und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dies kann laut BFH auch mit dem Begriff inhaltlicher (qualitativer) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben werden. Maßgebend ist also, ob das qualitativ für eine bestimmte Tätigkeit „Typische“ im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird.

  • Der Steuerpflichtige geht mehreren Tätigkeiten zur Einkünfteerzielung im häuslichen Arbeitszimmer nach:

Auch bei dieser Variante ist der Schwerpunkt qualitativ im Rahmen einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Es kommt also darauf an, ob die Tätigkeit im Arbeitszimmer für das Berufsbild prägend ist. Dabei muss das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt jedweder oder jeder einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilden. Vielmehr geht es in einer Stufenfolge darum, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Im Rahmen dieser Gesamtschau ist als erste Stufe für jede betriebliche und berufliche Tätigkeit der Betätigungsmittelpunkt zu ermitteln, um dann auf der zweiten Stufe durch qualitative Abwägung den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit festzustellen. Als letzte Stufe wird dann der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert.

Beispiele zur qualitativen Gesamtschau

Indizwirkung könnte beispielsweise eine Vollzeitbeschäftigung aufgrund eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeits- oder Dienstverhältnisses haben. Fehlt es an einem solchen Arbeitsverhältnis, sind weitere Indizien heranzuziehen. Abstellen könnte man z.B. auf die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen oder das nach der Verkehrsauffassung dieser Tätigkeit zukommende Gewicht und sogar auf den jeder Tätigkeit zukommenden Zeitaufwand.

Bei Abwägung mehrerer Indizien untereinander ist die Gewichtung nach den Umständen des Einzelfalls - gemessen an der Verkehrsanschauung und nicht an den Vorstellungen des betroffenen Steuerpflichtigen - zu bestimmen. Eine solche Einzelfallwürdigung ist zwar im Steuerrecht nicht unüblich, jedoch hätte der Senat im Zusammenhang der „weichen“ Kriterien ein handfesteres Kriterium der Praxis an die Hand geben müssen.

Mehrere Einkunftsarten, aber mit verschiedenen Mittelpunkten

Wenn das häusliche Arbeitszimmer lediglich für eine oder mehrere Einzeltätigkeiten den qualitativen Mittelpunkt bildet, jedoch nicht auch für die übrigen Tätigkeiten, muss das  FG/FA anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einen einzelnen qualitativen Schwerpunkt hat, der dann im häuslichen Arbeitszimmer liegt.

Quasi im Nachgang zum Festhalten an den bisherigen Rechtsgrundsätzen der Mittelpunktsbestimmung führt der BFH an, dass es aber auch Konstellationen gebe, die eine zentrale Koordinierungsstelle unverzichtbar machen, um gerade mehrere Tätigkeiten überhaupt ausüben zu können. Jedenfalls ist der Umstand der Notwendigkeit eines Arbeitszimmers nicht gleichbedeutend damit, dass es auch den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet.

Hierfür sind weitere Beweise notwendig, die aber im vorliegenden Fall nicht erbracht wurden. Das FG hat zu Recht festgestellt, dass - gemessen am allgemeinen Berufsbild - der Mittelpunkt für eine Angestellten-Verkaufstätigkeit in der Verkaufsstelle des Arbeitgebers vor Ort liege.

Keine Vervielfältigung des Abzugsbetrags bei mehreren gleichzeitigen Einkunftsarten

Der Betrag von 1.250 € ist in jedem Fall nur einmal zu gewähren, weil die Anzahl der darin bedienten Einkunftsarten auf die Höhe der Aufwendungen keinen Einfluss hat und außerdem die Einmaligkeit dem gesetzgeberischen Ziel entspricht.

Praxishinweis

Der BFH favorisiert die qualitative Schwerpunktbetrachtung und nicht die quantitative Bedeutung. Somit kommt es nicht auf die Stundenanzahl an, die in dem häuslichen Arbeitszimmer verbracht wird, denn letztere kann nur unzureichend bewiesen werden.  Private Mitbenutzung ist staatlich nicht beobachtbar. Die Bedeutung der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ist am allgemeinen Berufsbild und nicht an der Anschauung des Steuerpflichtigen auszurichten. Die Beweisführung hat sich somit an qualitativen Gesichtspunkten zu orientieren.

BFH, Urt. v. 16.07.2014 - X R 49/11

Quelle: Rechtsanwalt und Diplom-Finanzwirt Horst Schirrmann