Der BFH hat in einem Urteil die Voraussetzungen für die steuerliche Absetzbarkeit von Arzt- bzw. Operationskosten als außergewöhnliche Belastungen (agB) näher bestimmt. Für die Frage, wann eine Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt und damit „zwangläufig“ i.S.d. § 33 EStG ist, muss das Finanzgericht demnach auch die tragfähige Tatsachengrundlage für das festgestellte Ergebnis darlegen.
Krankheitskosten können sich über § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung steuermindernd auswirken. Aber unter welchen Voraussetzungen beteiligt sich die Gemeinschaft der Steuerzahler an ärztlichen Behandlungskosten überhaupt? Sind alle Mittel und Methoden, die bei einer Krankheit helfen, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig oder müssen sie - ohne Rücksicht auf die Heilung - lediglich aufgrund einer wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethode „zugelassen“ sein?
Sachverhalt
Mit dieser Frage setzte sich der BFH in seinem Urteil vom 26.06.2014 auseinander. Die Steuerpflichtige litt an einer krankhaften Veränderung des Fettgewebes (Lipoidose) und machte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 ca. 12.000 € Behandlungskosten eines Therapiezentrums für Fettabsaugung (Liposuktion) als außergewöhnliche Aufwendungen nach § 33 EStG geltend.
Die Krankenkasse hatte zuvor die Kostenübernahme abgelehnt, weil die beantragte Liposuktion für diese Krankheit eine unkonventionelle Behandlungsmethode sei. Das FA verwehrte den Abzug mit der Begründung, es habe hierfür keine medizinische Indikation vorgelegen.
Einspruch und Klage vor dem FG halfen der Erkrankten nicht weiter. Es fehle nämlich an der vorherigen amtsärztlichen Begutachtung - so das FG. In der Revision hob der BFH die angefochtene Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Der BFH argumentierte, dass für eine außergewöhnliche Belastung die Zwangsläufigkeit der Ausgaben entscheidend sei. Das FG hätte nicht allein wegen des fehlenden amtsärztlichen Attests die steuerliche Berücksichtigung der Behandlungskosten ablehnen dürfen.
Wann werden Behandlungskosten steuerlich berücksichtigt?
Eine Aufwendung ist als zwangsläufig anzusehen, wenn sich der Steuerpflichtige aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ihr nicht entziehen kann. Krankheitskosten sind steuerlich anzuerkennen, wenn sie in der Hoffnung auf Heilung oder mit dem Ziel, die Beschwerden erträglicher zu machen, getätigt werden.
Die Aufwendungen für eine Heilbehandlung werden anerkannt, wenn die Behandlungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes vorgenommen werden.
Wenn es sich jedoch um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handelt, wird ein sog. „qualifizierter Nachweis“ nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV gefordert.
Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode dann, wenn ihre Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen (= „Stand der Technik“). Dies wird dann angenommen, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute - wie Ärzte, Wissenschaftler - die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht.
Zur weiteren Erläuterung setzt der BFH zu einem „juristischen Höhenflug“ an: Ob die Behandlungsmethode wissenschaftlich ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen und nachvollziehbar – ggfs. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – stringent zu begründen.
Es fehlt an der Nachvollziehbarkeit
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das FG zwar festgestellt, dass die Liposuktion keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode ist, jedoch fehlt es dieser Aussage an einer nachvollziehbaren Ableitung. Der BFH darf verfahrensrechtlich zwar die Entscheidungsfindung des FG nicht im Einzelnen überprüfen, jedoch muss die Würdigung der Tatsachen auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruhen. Ist die Würdigung des FG jedoch nicht nachvollziehbar, dann liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze und somit eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor, weshalb das FG-Urteil aufzuheben ist.
Praxishinweis
Weil die Finanzgerichte selten mit hochqualifizierten medizinischen Fachleuten besetzt sind, setzen sie sich manchmal über fachwissenschaftliche Zweifel mit „markigen Sätzen“ hinweg. Dies führt dann zu einer nicht nachvollziehbaren Urteilsbegründung, die fast immer wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze in der nächsten Instanz aufgehoben wird.
Die Steuerberater sollten diese „unsauberen Begründungen“ erkennen und in - erfolgreiche - Argumente in künftigen Rechtsstreitigkeiten verwandeln. Der medizinische Expertensachverstand ist bei den Finanzämtern und Rechtsbehelfsstellen noch geringer als bei den Gerichten, deshalb ist dem Steuerpflichtigen zu raten, in derartigen „medizinischen Fällen“ selbst einen medizinischen Sachverständigen einzuschalten und sich nicht nur auf Feststellungen des Medizinischen Dienstes zu verlassen. Auch beim Amtsarzt sollte auf eine nachvollziehbare Beurteilung/Begutachtung geachtet werden. Ein Nachbesserungsantrag kann dann insoweit angebracht sein.
BFH, Urt. v. 26.06.2014 - VI R 51/13
Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann