Wann realisieren sich Gewinne bei Abschlagszahlungen für Werkleistungen? Das BMF folgt insoweit den Vorgaben des BFH, wonach entscheidend ist, wann der Anspruch auf Abschlagszahlung entstanden ist. Nach einem aktuellen BMF-Schreiben gelten die entsprechenden Grundsätze auch für Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI (neue Fassung) und bei Abschlagszahlungen für Werkverträge gemäß § 632a BGB.
Nach Ansicht des BFH tritt eine Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nach § 8 Abs. 2 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) in der 1995 gültigen Fassung nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung entstanden ist. Dies begründete der BFH mit dem Realisationsprinzip, das besagt, dass Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Dieses Prinzip zählt zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und ist folglich für die steuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).
Reaktion der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung veröffentlichte diese Entscheidung am 23.12.2014 im BStBl. Die Grundsätze der Entscheidung sind damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Darüber hinaus hat das BMF nun ein aktuelles Schreiben herausgegeben, in dem es zu der Thematik, ob die Beurteilung des BFH auch bei Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI (Neufassung der HOAI) und bei Abschlagszahlungen für Werkverträge nach § 632a BGB gilt, weitergehend Stellung nimmt.
Anwendung auch auf Abschlagszahlungen nach § 15 HOAI und § 632a BGB
Das BMF wendet die oben genannten Grundsätze des BFH auch auf Abschlagszahlungen nach § 632a BGB oder nach § 15 Abs. 2 HOAI n.F. an. Es begründet dies mit der Vergleichbarkeit der Ansprüche. Denn auch bei den Abschlagszahlungen nach § 632a BGB oder § 15 Abs. 2 HOAI handele es sich um die Abrechnung von bereits verdienten Ansprüchen. Der Schuldner des Werkvertrags – also der Architekt oder Ingenieur – hat seine Leistung bereits erbracht. Andernfalls bestünde kein Recht, diese Abschlagszahlung zu verlangen.
Solche Abschlagszahlungen sind allerdings von Forderungen auf einen Vorschuss abzugrenzen, bei denen auch weiterhin keine Gewinnrealisierung eintritt. Wie diese Abgrenzung vorzunehmen ist, gibt das BMF jedoch nicht vor.
Zeitliche Anwendung und Billigkeitsregelung für diese Grundsätze
Grundsätzlich gelten diese Regelungen für alle noch offenen Fälle seit Veröffentlichung des Urteils im BStBl, also ab 23.12.2014. Die Finanzverwaltung beanstandet es jedoch nicht, wenn diese neuen Grundsätze erstmalig im Wirtschaftsjahr angewendet werden, das nach Datum der Veröffentlichung beginnt. Dabei lässt es die Finanzverwaltung aus Billigkeitsgründen zur Vermeidung von Härten auch zu, dass der Steuerpflichtige den durch die erstmalige Anwendung der Grundsätze der BFH-Entscheidung entstehenden Gewinn gleichmäßig entweder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und das folgende Wirtschaftsjahr oder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre verteilt.
Praxishinweis
Nach der Veröffentlichung des Urteils im BStBl stand fest, dass die Finanzverwaltung diese Grundsätze künftig anwenden wird. Erfreulicherweise lässt sie aber eine Verteilung eines zwangsläufig entstehenden Gewinns auf bis zu drei Jahre zu. Betroffene Unternehmer bzw. deren Berater sollten aber immer bedenken, dass mit der Gewinnzunahme in einem Jahr gleichzeitig auch eine Verminderung der Honorareinnahmen in Folgejahren verbunden ist. Denn die Vorverlegung des Realisationszeitpunkts führt ja bei absoluter Betrachtung zu keinem Mehrgewinn, sondern nur zu einer Verschiebung der Gewinnerfassung in einzelnen Perioden. Schließlich ist noch interessant, ob das BMF diese Grundsätze auch auf andere Gebührenordnungen anwenden wird.
Denn der BFH hat u.a. ausgeführt, dass eine Dienst- oder Werkleistung „wirtschaftlich erfüllt“ ist, wenn sie im Wesentlichen erbracht worden ist. Dies erfordert zwar bei Werkverträgen i.S.d. § 631 BGB grundsätzlich die Übergabe und die Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen. Dieser Grundsatz gilt aber nur dann uneingeschränkt, wenn die Wirkungen der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmers nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden. Als solche Sonderregelung gilt der § 8 Abs. 2 HOAI (1995) bzw. § 15 Abs. 2 HOAI n.F.
Da die meisten Vergütungsbestimmungen für die freien Berufe ebenfalls das Recht zur Vorschusseinforderung für erbrachte und abgerechnete Teilleistungen, also schon vor Beendigung des gesamten Auftrags vorsehen (z.B. § 9 RVG, § 8 StBVV), dürfte für diese Berufsgruppen der Realisationszeitpunkt für diese Gebührenforderungen ebenfalls vorverlagert werden, wenn der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich – also Bilanzierung – ermittelt wird. Also sollte auch diese Berufsgruppe künftig ihre halbfertigen Arbeiten sorgfältiger als bisher nach zeitlichen Gesichtspunkten abgrenzen.
BMF, Schreiben v. 29.06.2015 – IV C 6 - S-2130/15/10001
BFH, Urt. v. 14.05.2014 – VIII R 25/11, BStBl 2014 II 968
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz