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Umsatzsteuer-Erstattung bei Insolvenz

Unter welchen Voraussetzungen kann zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erstattet werden, wenn der Leistende insolvent wird? Der BFH hat entschieden, dass in diesem Fall grundsätzlich kein Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers gegen den Fiskus besteht. Ansprüche, die die jeweilige Insolvenzquote übersteigen, können aber möglicherweise aus Billigkeitsgründen geltend gemacht werden.

Ein Unternehmer rief den BFH an, nachdem er feststellte, dass sein Vertragspartner ihm zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte. Nach entsprechender Rechnungsberichtigung verlangte er die Erstattung der von ihm an sein Finanzamt zurückgezahlten Vorsteuerbeträge. Hinzu kam noch, dass der Vertragspartner insolvent wurde und der Insolvenzverwalter zwar vom zuständigen Finanzamt die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nach Rechnungsberichtigung in voller Höhe erhielt, diese aber nur entsprechend der Insolvenzquote an den Unternehmer auszahlte. Das für den Unternehmer zuständige Finanzamt lehnte durch Abrechnungsbescheid die Erstattung der Umsatzsteuer an den Unternehmer ab. Der BFH hielt dies für zutreffend.

Erstattungsanspruch gilt nur für den Rechnungsaussteller

Nach Ansicht des BFH kann der Unternehmer seinen Erstattungsanspruch nicht auf § 37 Abs. 2 AO stützen. Einen solchen Anspruch auf Erstattung von geleisteten Überzahlungen kann nur derjenige geltend machen, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Für den BFH kann zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer ausschließlich an den Rechnungsaussteller, der seine Rechnungen berichtigt hat, erstattet werden. Den Grund dafür sieht der BFH darin, dass § 37 Abs. 2 AO keinen Rückzahlungsanspruch des Leistungsempfängers vorsieht, der die Umsatzsteuer, die in der Rechnung ausgewiesen ist, an den Rechnungsaussteller gezahlt hat. Der klagende Unternehmer war aber gerade der Rechnungsempfänger und nicht der Rechnungsaussteller, so dass kein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO gegeben war.

Dieses Ergebnis hält der BFH auch vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Regelungen für sachgerecht. Insbesondere verneint der BFH das Bedürfnis, den Erstattungsanspruch bei Insolvenz des Leistenden auf den Leistungsempfänger zu übertragen. Insoweit bestehen keine unionsrechtlichen Vorgaben, so dass der nationale Gesetzgeber die Bedingungen des Erstattungsanspruchs bestimmen kann.

Die deutschen Regelungen für die Erstattung der Umsatzsteuer sind ausreichend

Zwar besteht nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht das Recht auf Vorsteuerabzug lediglich für diejenigen Steuern, die mit einem steuerbaren Umsatz in Zusammenhang stehen und deswegen geschuldet werden. Das Recht auf Vorsteuerabzug erstreckt sich aus diesem Grund nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesen ist, wie dies beim Unternehmer der Fall war.

Jedoch hält der BFH die bestehenden Billigkeitsregelungen der AO zur abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen und Erstattung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis für ausreichend, um wirtschaftlich den Teil der im Insolvenzverfahren nicht realisierbaren Rückforderung vom Finanzamt zu erhalten.
Nach Ansicht des BFH genügt eine solche Billigkeitsentscheidung den Anforderungen des EuGH zum Ausgleich der Belastung des Leistungsempfängers. Denn ein Vorsteuerabzug kann im Billigkeitsweg zu gewähren sein, wenn der Gesetzeswortlaut die Entstehung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug an Voraussetzungen knüpft, deren Erfüllung im Einzelfall vom leistungsempfangenden Unternehmer nicht verlangt werden kann.

Diese Frage hatte der BFH allerdings nicht zu entscheiden, weil es für die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids nicht relevant war. Der Unternehmer könnte jedoch noch einen solchen Antrag beim zuständigen Finanzamt stellen. Nach der Einschätzung des BFH ist auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Erlass zu gewähren ist, dazu müsste aber ggf. noch eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt werden.

Praxishinweis

Zunächst hat das Gericht zwar festgestellt, dass dem klagenden Unternehmer in seiner misslichen Situation – Verpflichtung zur Erstattung der Vorsteuer ans Finanzamt, aber lediglich Empfang einer Teilerstattung vom Rechnungssteller nach der Rechnungsberichtigung aufgrund dessen Insolvenz – kein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zusteht. Diese Lösung leitet der BFH konsequent aus dem Gesetz ab: Die Erstattung kann nur verlangen, auf wessen Rechnung die Steuern gezahlt worden sind. Dies war in diesem konkreten Fall aber gerade nicht der Leistungsempfänger.

In diesem Zusammenhang stellt sich ebenfalls die Frage, ob die Ansicht zutreffend ist, dass die dem Insolvenzverwalter nach der Rechnungsberichtigung erstatteten Umsatzsteuern tatsächlich lediglich quotal an den Leistungsempfänger zu zahlen sind. Insoweit sollte auch die zivilrechtliche Rechtslage noch einmal hinterfragt werden.

Interessant ist vor allem die Ansicht des BFH, dass der Teil der Vorsteuern, der die Insolvenzquote übersteigt, möglicherweise im Billigkeitswege erstattet werden könnte. Auch wenn der BFH die Entscheidung an den EuGH, der noch angerufen werden müsste, verweist, lässt der BFH aber durchaus erkennen, dass er diesen Weg für aussichtsreich hält. Vor allem Unternehmer und deren Berater in vergleichbaren Situationen, aber auch Insolvenzverwalter sollten die weitere Entwicklung nach diesem Urteil – insbesondere mögliche EuGH-Entscheidungen – genau beobachten.

BFH, Urt. v. 30.06.2015 - VII R 30/14

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz