Ein Antrag auf „Ist-Besteuerung“ (Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten) kann auch konkludent gestellt werden. Der BFH hat entschieden, dass sich ein solcher Antrag aus der Steuererklärung ergibt, wenn die Umsätze erkennbar auf Grundlage einer Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) erklärt worden sind. Die Festsetzung der Umsatzsteuer durch das Finanzamt kann dann die Genehmigung darstellen.
Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob ein Verein einen wirksamen Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bei der Umsatzsteuer gestellt hatte. Der Verein hatte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt. In der Vergangenheit hatte er ebenso wie im Streitjahr eine Einnahmenüberschussrechnung und eine Umsatzsteuererklärung abgegeben, wobei die Umsätze in der Umsatzsteuerklärung betragsmäßig den Einnahmen in der Einnahmenüberschussrechnung entsprachen.
In der Vergangenheit hatte das Finanzamt die Umsatzsteuererklärung antragsgemäß veranlagt. Auch in den Streitjahren versteuerte der Verein lediglich die tatsächlich vereinnahmten Entgelte (sog. Ist-Besteuerung). Das Finanzamt berücksichtigte allerdings bei der Umsatzsteuerveranlagung die vereinbarten Entgelte (sog. Soll-Besteuerung) und begründete dies damit, dass die Ist-Besteuerung von ihm bisher nicht genehmigt worden sei. Sowohl das Finanzgericht als auch der BFH folgten dem nicht.
Voraussetzungen für die Ist-Besteuerung
Grundsätzlich muss ein Unternehmer die Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen nach vereinbarten Entgelten berechnen (sog. Soll-Besteuerung). Die Steuer wird dann mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Allerdings kann gem. § 20 UStG das Finanzamt auf Antrag dem Unternehmer gestatten, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach bereits vereinnahmten Entgelten zu berechnen (Ist-Besteuerung). Die Steuer entsteht in diesem Fall mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Unternehmer:
- ein Freiberufler ist, der seinen Gewinn nicht durch Bilanzierung ermittelt, oder
- einen Jahresumsatz von weniger als 500.000 € erzielt.
Wann liegt ein Antrag auf Ist-Besteuerung vor?
Da die übrigen Voraussetzungen erfüllt waren, war lediglich streitig, ob der Verein den erforderlichen Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestellt und das Finanzamt diesen auch genehmigt hatte. Diesen Antrag muss das Finanzamt bescheiden und die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt gestatten. Der Antrag kann auch konkludent gestellt werden. Nach Ansicht des BFH kann aber eine Umsatzsteuererklärung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind, nur dann als konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung angesehen werden, wenn ihr deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind.
Diese Voraussetzungen sieht der BFH im konkreten Fall als erfüllt an und bestätigt damit die Ansicht des Finanzgerichts. Aus den Akten war zu entnehmen, dass das Finanzamt die Verknüpfung zwischen den Umsatzsteuererklärungen und der Gewinnermittlung mittels einer Einnahmenüberschussrechnung durchaus erkannt hatte – der Sachbearbeiter des Finanzamts hatte in den Akten u.a. bei der Umsatzsteuerverprobung für das Streitjahr auf die Gewinn- und Verlustrechnung verwiesen.
Zustimmung des Finanzamts zum konkludent gestellten Antrag
Diesem konkludent gestellten Antrag muss das Finanzamt jedoch zustimmen. Auch dies war nach Auffassung des BFH der Fall. Bei der Gestattung nach § 20 UStG durch das Finanzamt handelt es sich um den Erlass eines begünstigenden Ermessensverwaltungsakts. Dieser Verwaltungsakt kann auch stillschweigend bekanntgegeben werden, erfordert also keine ausdrückliche Bekanntmachung. Weil die Gestattung einer Ist-Besteuerung und die hierauf beruhende Umsatzsteuerfestsetzung zwei verschiedene Verfahren betreffen, kann die Umsatzsteuerfestsetzung nur dann als konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ausgelegt werden, wenn mit ihr nach außen erkennbar auch eine Entscheidung über den entsprechenden Antrag getroffen wurde.
An diese konkludente Gestattung dürfen jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont der Beteiligten. Sofern ein Steuerpflichtiger einen konkludenten Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung beim Finanzamt gestellt hat, bedeutet die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer, dass der Antrag auch genehmigt worden ist. Folglich durfte der Verein seine vereinnahmten Entgelte versteuern.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH verdient Zustimmung. Denn sie hat im Sinne der Steuerpflichtigen geregelt, dass auch die Behandlung der Umsatzsteuer in der Gewinnermittlung einen Antrag auf die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten darstellen kann. Gerade wenn nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung das Finanzamt das Vorliegen einer Ist-Besteuerung bestreitet, sind die Klarstellungen dieses Urteils von hohem Wert, da sie Rechtssicherheit schaffen.
BFH, Urt. v. 18.08.2015 - V R 47/14
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz