Das BMF hat auf ein BFH-Urteil zur Umsatzsteuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Der BFH hatte zuvor entschieden, dass „Betriebsvorrichtungen“ keine „Bauwerke“ nach § 13b UStG darstellen und deshalb eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei entsprechenden Arbeiten ausscheidet. Dem hat jetzt das BMF widersprochen.
In seinem Urteil vom 28.08.2014 hatte der BFH entschieden, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG sind. Dieses Urteil fällte er vor dem Hintergrund einer Werkleistung, was letztlich dazu führte, dass das „Reverse-Charge-Verfahren“ keine Anwendung fand und der Umsatzsteuerschuldner das leistende Unternehmen war und nicht der Leistungsempfänger. Liefergegenstand war eine Entrauchungsanlage, die der BFH als Betriebsvorrichtung und nicht als Bauwerk bzw. Bauwerksbestandteil i.S.d. UStG ansah. Laut BFH müsse die eingebaute Konstruktion eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Zudem verneinte der BFH bezüglich der Definition „Bauwerk“ die Anwendbarkeit der Baubetriebsverordnung.
Urteil des BFH darf nicht angewandt werden
Das BMF hat nun die Nichtanwendung dieses BFH-Urteils über den entschiedenen Fall hinaus angeordnet. Das BMF stellt ausdrücklich klar, dass es die BFH-Schlussfolgerung, dass Betriebsvorrichtungen stets nicht zu den Bauwerken i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG gehören, nicht teilt. Es kommt unionsrechtlich nicht auf die vom BFH vorgenommene bewertungsrechtliche Auslegung des Begriffs des Bauwerks an.
Unionsrechtliche Auslegung des Begriffs „Bauwerk“
Die Begriffe der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sind eigenständig und als solche in der gesamten Europäischen Union autonom und einheitlich auszulegen, ohne dass hierbei das nationale Bewertungsrecht die Definition vorgibt.
Der Begriff „Bauleistung“ i.S.v. Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ist nicht nur auf Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück beschränkt, sondern schon deshalb weit auszulegen, weil sich nur der Satzteil „Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen“ auf Bauleistungen bezieht und die übrigen Möglichkeiten unabhängig von einem Bauwerk anzusehen sind.
Auch bei dem Begriff „Leistungen an Betriebsvorrichtungen“ kann es sich um Bauleistungen in Bezug auf ein Grundstück handeln.
Der Begriff „Bauleistung“ hat sich an den folgenden Anhaltspunkten der Art. 13b und 31a der Durchführungsverordnung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie, EU-DV 282/2011 (MwStSystDV) in der durch die EU-DV Nr. 1042/2013 geänderten Fassung zu orientieren: Dem Grundstücksbegriff und dem Begriff der Dienstleistung, soweit deren Zweck in physischen Veränderungen im Zusammenhang mit einem Grundstück besteht. Zusammenfassend definiert diese EU-DV das Vorliegen eines „Grundstücks“ i.S.d. MwStSystDV anhand folgender Kriterien:
- Abgegrenzter Teil der (über- und oberirdischen) Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann;
- jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder derartiges Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann;
- jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie z.B. Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge;
- Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.
Demnach gelten Betriebsvorrichtungen unionsrechtlich nur dann nicht als Grundstücke, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern. Entscheidend sind somit der Horizont und der Erkenntniskreis des Leistenden.
Klarere Definition ermöglicht größere Handlungssicherheit
Würde das Urteil des BFH in der ursprünglichen Form angewandt werden, so entstünden in der Praxis nicht handhabbare Probleme bei der Abgrenzung zwischen Bauwerk und Betriebsvorrichtung. Denn es ist für den leistenden Unternehmer zumindest sehr schwer zu erkennen, ob die von ihm eingebaute Anlage nun eigenständigen Zwecken dient und deshalb als Betriebsvorrichtung zu werten ist oder ob die Anlage (etwa Klima-, Kälte- oder Belüftungsanlage) für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist. Nur bei dieser letztgenannten Fallvariation könnte es zu einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers kommen.
Praxishinweis
Es ist zu begrüßen, dass das BMF rechtzeitig die etwas eigenwillige – weil bewertungsrechtlich orientierte – Auslegung des Begriffs „Grundstück“ korrigiert und in den umsatzsteuerlichen Anwendungsbereich zurückgeführt hat. Hier wird allmählich Rechtssicherheit einkehren, denn dazu hat die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage im Bundestag (BT-Drucks. 18/5603 v. 20.07.2015) erklärt, dass keine weiteren Gesetzesänderungen in diesem Bauleistungsbereich geplant seien.
BMF-Schreiben v. 28.07.2015 - III C 3 S-7279/14/10003
BFH, Urt. v. 28.08.2014 - V R 7/14
Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann
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