Welche Regeln gelten für die Zuordnung von Umsätzen bei Dauersachverhalten? Der BFH hat klargestellt: Unternehmer, die ihre Umsätze fehlerhaft erst für den Zeitraum der Entgeltvereinnahmung versteuern, können die Rechtswidrigkeit der diesbzgl. Steuerfestsetzung geltend machen – und zwar unabhängig von einer für den Besteuerungszeitraum der Leistungserbringung angenommenen Festsetzungsverjährung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 29.08.2024 (V R 19/22) die Grundsätze zur Umsatzsteuerbesteuerung nach vereinbarten Entgelten weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die K-GmbH führte in ihrer Werkstatt Reparaturen an Fahrzeugen des Herstellers X durch, die X nach Ausführung der Reparatur vergütete.
Die K-GmbH berechnete ihre Steuer nach vereinbarten Entgelten, dementsprechend verbuchte sie ihre Ansprüche gegen X für die Reparaturleistungen auf „Vergütungskonten“. Der Saldo auf diesen Vergütungskonten wurde erst mit der Vereinnahmung am Ende der einzelnen Jahre versteuert.
Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 entstand mit dem Finanzamt (FA) Streit darüber, zu welchem Zeitpunkt die Vergütungssalden zu versteuern sind. Das FA berücksichtigte die Vergütungssalden jeweils in den entsprechenden Jahren der Erfassung, lediglich der im Jahr 2013 versteuerte Saldo für 2012 wurde nicht im Jahr 2012 erfasst.
Der Einspruch und die Klage der K-GmbH vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos. Der BFH hingegen widersprach den Ansichten des FG.
Entscheidung im Besprechungsfall
Nach Ansicht des BFH kann nicht von der sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG ergebenden Rechtslage durch eine Analogie zu § 20 Satz 3 UStG abgewichen werden. Denn für den BFH liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor.
Es fehlt bereits an einer für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Die Korrektur einer im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG stehenden zeitlichen Zuordnung von Umsätzen erfolgt auf der Grundlage der Änderungsvorschriften der Abgabenordnung unter den darin niedergelegten Voraussetzungen.
Dabei hält der BFH im Besprechungsfall § 174 Abs. 4 AO für einschlägig. Hierbei ist der Ablauf der Festsetzungsfrist grundsätzlich unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden.
Lediglich ergänzend weist der BFH darauf hin, dass die Annahme einer Regelungslücke auch nicht damit begründet werden kann, dass eine Korrektur im Einzelfall an einer bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung scheitert.
Denn die Verjährungsvorschriften dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden - und zwar in gleicher Weise im Interesse der Steuerpflichtigen wie auch im Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Arbeitsablauf bei der Finanzverwaltung. Ist Festsetzungsverjährung eingetreten, stellt dies ein absolutes Änderungshindernis dar.
Zudem verneint der BFH eine vergleichbare Interessenlage. § 20 Satz 3 UStG bezieht sich auf einen rechtlichen Wechsel der Besteuerungsart von der Soll- zur Istbesteuerung oder umgekehrt.
Damit nicht vergleichbar ist der vorliegende Fall, in welchem der Unternehmer einzelne seiner Umsätze nicht bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung, sondern rechtsfehlerhaft erst für den der nachfolgenden Entgeltvereinnahmung versteuert.
Würde man § 20 Satz 3 UStG auch auf eine tatsächlich rechtsfehlerhafte Versteuerung anwenden, so würde damit die für einen bestimmten Sachverhalt vorgesehene gesetzliche Regelung nicht auf einen anderen, vom Gesetz nicht erfassten, aber nur unwesentlich abweichenden Sachverhalt angewendet.
Da die K-GmbH einen entsprechenden Änderungsantraggestellt hatte, gab der BFH diesem statt, so dass die Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2012 durch das FA zu erfolgen hat.
Der BFH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO eine Korrektur aufgrund anderer Vorschriften als § 173 Abs. 1 AO - und damit aufgrund des vorliegend anwendbaren § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO - nicht ausschließt.
Praxishinweis
Der BFH hat die Grundsätze zur Änderung bei einer fehlerhaften Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten wie folgt konkretisiert:
Versteuert der Unternehmer fehlerhaft seine Umsätze nicht bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung, sondern erst für den der nachfolgenden Entgeltvereinnahmung, so kann er die Rechtswidrigkeit der für den Besteuerungszeitraum der Entgeltvereinnahmung vorliegenden Steuerfestsetzung geltend machen.
Dem steht im Hinblick auf eine für den Besteuerungszeitraum der Leistungserbringung angenommene Festsetzungsverjährung keine Analogie zu § 20 Satz 3 UStG entgegen.
BFH, Urt. v. 29.08.2024 - V R 19/22