Wann unterliegen Leistungen ohne Entgelt der Umsatzsteuer? Der BFH hat Gratis-Lieferungen von Wärme an andere Unternehmer, die damit selbst wirtschaftliche Zwecke verfolgen, als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG eingestuft. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach den Selbstkosten, die nicht nur unmittelbare Herstellungskosten, sondern auch mittelbar zurechenbare Kosten umfassen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 04.09.2024 (XI R 15/24 (XI R 17/20)) entschieden, dass es sich bei der Abgabe von Wärme an andere Unternehmen für unternehmerische Zwecke auch steuerrechtlich um eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG handelt.
Der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe steht auch nicht entgegen, dass die empfangenden Unternehmer zum Vorsteuerabzug für die Wärmelieferungen berechtigt sind.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung. Der erzeugte Strom wurde größtenteils ins Stromnetz eingespeist und vom Netzbetreiber vergütet.
Die Wärme nutzte die Klägerin teils selbst, stellte sie jedoch größtenteils anderen Unternehmern kostenfrei zur Verfügung, die sie zur Trocknung und Beheizung nutzten. Für den gelieferten Strom erhielt die Klägerin eine gesetzlich festgelegte Mindestvergütung sowie einen Bonus für Kraft-Wärme-Kopplung.
Das Finanzamt (FA) betrachtete die kostenfreie Wärmeabgabe als unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG, bestimmte für die daraus resultierende Umsatzsteuer die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.
Die Klägerin wandte sich im Einspruchs- und anschließenden Klageverfahren gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe.
Das Finanzgericht (FG) hatte ihr zunächst Recht gegeben und als Bemessungsgrundlage für die Wärmelieferungen die Selbstkosten - welche nach der sogenannten Marktwertmethode und aus Vereinfachungsgründen nach dem bundeseinheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis ermittelt wurden - zugrunde gelegt.
Sowohl das FA als auch die Klägerin legten gegen die Entscheidung des FG Revision ein. Der BFH übergab die Rechtssache zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Nach der Entscheidung des EuGH wies der BFH die Revision des FA und der Klägerin als unbegründet zurück.
Umsatzsteuerliche Behandlung von unentgeltlichen Wertabgaben
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG ist die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. Der Gegenstand oder seine Bestandteile müssen jedoch zuvor zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Nach der dem BFH-Urteil vorangegangenen Entscheidung des EuGH handelt es sich auch bei der Abgabe von Wärme um eine Lieferung. Die unentgeltliche Lieferung von Wärme kann daher auch zu einer unentgeltlichen Wertabgabe führen.
Nach Ansicht des EuGH sowie daran anschließend auch des BFH ist es für das Vorliegen einer unentgeltlichen Wertabgabe nicht maßgeblich, ob der Empfänger der Leistungen zum vollständigen Vorsteuerabzug berechtigt ist und somit ein unversteuerter Endverbrauch in Betracht kommt oder auch nicht.
Dies ist keine Voraussetzung für das Vorliegen einer unentgeltlichen Wertabgabe, auch wenn im Anwendungsfall kein Umsatzsteuerausfall drohen sollte.
Das FG setzte zu Recht als Bemessungsgrundlage die Selbstkosten an. Diese umfassen jedoch nicht nur die unmittelbaren Herstellungskosten oder Erzeugungskosten, sondern auch mittelbar zurechenbare Kosten wie Finanzierungsaufwendungen, wobei es unerheblich ist, ob es sich um vorsteuerbelastete Kosten handelt oder nicht.
Praxishinweis
Die Entscheidungen des EuGH und des BFH haben im Hinblick auf das Vorliegen und die Bemessung von unentgeltlichen Wertabgaben große Bedeutung. Der Urteilsfall betraf zwar einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, die Entscheidung gilt jedoch auch für jegliche unentgeltliche Wertabgaben anderer Unternehmer.
Die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht für unentgeltliche Wertabgaben zwischen Unternehmen führt nunmehr dazu, dass Unternehmer auch bei kostenfreien Lieferungen Vereinbarungen über die anfallende Umsatzsteuer schließen sollten, damit der leistende Unternehmer die entstehende Umsatzsteuerschuld nicht ausschließlich zu tragen hat.
BFH, Urt. v. 04.09.2024 - XI R 15/24 (XI R 17/20)