Land- und forstwirtschaftliche Betriebe können für Umsätze grundsätzlich die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden. Aber was gilt bei vertraglich vereinbarten Ersatzzahlungen? Der BFH hat klargestellt, dass eine Abstandszahlung, die ein Landwirt für den Verzicht auf ein Lieferrecht erhält, nicht der Durchschnittssatzbesteuerung, sondern der regulären Umsatzbesteuerung unterliegt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23.08.2023 (XI R 27/21) entschieden, dass bei dem Verzicht eines Landwirts auf ein vertragliches Lieferrecht gegen die Gewährung einer Abstandszahlung diese nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fällt, sondern der regulären Besteuerung mit Umsatzsteuer unterliegt.
Der Verzicht kann nicht mit den dem Lieferrecht zugrundeliegenden Umsätzen verglichen werden, da dieser mangels der Verwendung typischer Vorprodukte oder Hilfsmittel nicht als landwirtschaftliche Leistung im engeren Sinn zu qualifizieren ist.
Sachlage im Streitfall
Klägerin ist eine GbR, die mit einer KG einen Vertrag über die Lieferung von 70 % der von ihr erzeugten Lebensmittel abgeschlossen hat. Die auf dem Vertrag beruhenden Lieferungen der Klägerin erfolgten gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitjahr (2013) geltenden Fassung zum Durchschnittssatz von 10,7 %.
Die Klägerin schloss mit der Abnehmerin mündlich einen Aufhebungsvertrag der Liefervereinbarung. Die Abnehmerin zahlte danach „zum Ausgleich der aufgrund der vorzeitigen Vertragsauflösung entstehenden Einbußen“ eine „Abstandszahlung“ an die Klägerin und versteuerte diese nach dem Durchschnittssteuersatz gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.
Das Finanzamt (FA) änderte jedoch nach Durchführung einer Außenprüfung den Umsatzsteuerbescheid und besteuerte die Abstandszahlung mit dem Regelsteuersatz von 19 %. Die Umsatzsteuer wurde dabei anteilig von dem Bruttobetrag der Abstandszahlung ermittelt.
Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Revision des FA sah der BFH jedoch als begründet an und hob das Urteil des FG daher auf.
Besteuerung nach dem Durchschnittssteuersatz
Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze erfolgt die Besteuerung mit speziellen Durchschnittssätzen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG.
Die Lieferung von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen wird mit 5,5 % besteuert. Sägewerkerzeugnisse und Getränke unterliegen dahingegen dem regulären Steuersatz von 19 %. Alle übrigen Umsätze mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen dem ermäßigten Durchschnittssatz von 10,7 % der Bemessungsgrundlage.
Die Vorsteuerbeträge betragen ebenfalls nur 5,5 % bzw. 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze. Ein weiterer Vorsteuerabzug ist nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Auffassung des BFH ist die Abstandszahlung für den Verzicht auf das Lieferrecht mit der Lieferung der Erzeugnisse nicht gleich zu behandeln. Der Verzicht auf ein Lieferrecht stellt keine landwirtschaftliche Dienstleistung i.S.d. § 24 UStG dar, da aus diesem Verzicht kein landwirtschaftliches Erzeugnis hervorgeht und er auch nicht zu dessen Erzeugung beiträgt.
Durch diese Auslegung würde auch ausreichend berücksichtigt, dass die Vorsteuer für die bezogenen Eingangsleistungen für Landwirte auf Basis von makroökonomischen Daten pauschaliert wird.
Für den Verzicht auf ein vertragliches Lieferrecht trifft dies nicht zu, denn die Ausrüstung des landwirtschaftlichen Betriebs wird für einen solchen Verzicht nicht benötigt.
Die Vorsteuer auf Eingangsleistungen ist bei ihm typischerweise niedriger als bei einem landwirtschaftlichen Umsatz, weil die mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit im direkten und unmittelbaren Zusammenhang stehenden, mit Vorsteuer belasteten Eingangsleistungen, wie z.B. Maschinen, Dünge- und Pflanzenschutzmittel etc., dafür typischerweise nicht benötigt werden.
Da somit weder die Eingangsleistungen noch der Verzicht selbst typisch für ein landwirtschaftliches Erzeugnis sind, ist die Besteuerung der Abstandszahlung mit dem Regelsteuersatz sachgerecht.
Praxishinweis
Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist grundsätzlich das für die vertragliche Auflösung gezahlte Entgelt mit den eigentlich vereinbarten Umsätzen gleichzusetzen. Daher kann z.B. auch die Steuerbefreiung für die eigentlichen Umsätze auf das spätere Entgelt für die Vertragsauflösung angewendet werden.
Der BFH wich jedoch aufgrund der Besonderheit des konkreten Sachverhalts von diesem Grundsatz ab. Dies begründet er mit den Besonderheiten der Durchschnittssatzbesteuerung. Insbesondere die fehlende Vorsteuerbelastung würde in diesem Fall für eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gleichbehandlung sprechen.
BFH, Urt. v. 23.08.2023 - XI R 27/21