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Verfahrensrecht -

Änderung von Steuerbescheiden: Wann liegt eine arglistige Täuschung vor?

Wann liegt eine arglistige Täuschung vor, die dem Finanzamt eine Änderung des Steuerbescheids erlaubt? Nach dem BFH ist dies bei einer bewussten und vorsätzlichen Irreführung der Fall. Die Willensbildung der Behörde kann auch durch das Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen unzulässig beeinflusst werden. Demnach erstreckt sich die Erklärungspflicht auch auf steuerfreie Einnahmen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob das bewusste Verschweigen von steuererheblichen Tatsachen eine arglistige Täuschung des Finanzamts (FA) darstellen kann, die eine Änderung des Steuerbescheids seitens des FA ermöglicht.

Ein deutscher Richter, der zur EU-Gerichtsbarkeit für den Kosovo abgestellt war, wurde dafür vom Auswärtigen Amt (AA) vergütet. Nach der dazu mit dem AA geschlossenen Vereinbarung zahlte das AA einen „pauschalierten Aufwendungsersatz“. Darüber hinaus erhielt der Richter von der EU ein Tagegeld, das nicht auf den vereinbarten Aufwendungsersatz angerechnet wurde. Das (Wohnort-)Finanzamt sollte nach der Vereinbarung eine Vergleichsmitteilung über die geleisteten Zahlungen erhalten.

Von seinem Amt als Richter war der Kläger in der Zeit seines Einsatzes im Kosovo unter Wegfall der Bezüge beurlaubt. In den Mitteilungen des AA ans FA wurden Zahlungen des AA an den Richter bescheinigt. Die Mitteilungen des AA für 2008 bis 2010 wurden nach deren Eingang für den Richter abgelegt ebenso wie die Kopie eines Schreibens des Richters vor Antritt seiner Tätigkeit, in dem er die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2006 angekündigt sowie unter Hinweis auf seinen damals bevorstehenden Einsatz im Kosovo (spätestens zum November 2008) um eine Verlängerung der Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 2009 um zwei Jahre ersucht hatte.

Dem FA teilte der Richter mit, dass er ohne Bezüge beurlaubt werde und vom AA und von der EU eine Aufwandsentschädigung erhalte. In einem internen Vermerk zur Steuernummer des Richters wurde auf das Kontrollmaterial des AA für 2009 und 2010 verwiesen. In der Einkommensteuererklärung 2008 erklärte der Richter den Arbeitslohn laut Lohnsteuerbescheinigung. Anhaltspunkte für seine Tätigkeit im Kosovo ergaben sich aus der Erklärung jedoch nicht.

In den Einkommensteuererklärungen 2009 bis 2011 erklärte der Richter zudem Einkommensersatzleistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen, und fügte der Erklärung 2010 seine Abrechnung für einen Monat bei. Angaben zu dem erhaltenen pauschalierten Aufwendungsersatz fanden sich in der Erklärung nicht.

In den Einkommensteuerbescheiden 2009 und 2010 setzte das FA die Einkommensteuer wie erklärt fest: Das FA forderte für 2011 die Arbeitsverträge über die Tätigkeit im Kosovo an. Bei Übersendung der Unterlagen äußerte der Richter unter Vorlage einer „Kommentierung aus dem Internet“, dass er davon ausgehe, dass die Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei sei.

Gleichwohl änderte das FA unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Leistungen des AA in Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung. Das FG zog als Änderungsvorschrift für die Streitjahre 2008 bis 2010 § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO heran und ließ die Revision zu.

Korrekturmöglichkeit des FA nach § 172 AO

Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO darf ein Steuerbescheid geändert werden, insoweit er durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist. Dazu stellt der BFH zunächst fest, dass der Richter verpflichtet war, die Zahlungen des AA im Rahmen der Erklärung offenzulegen, wobei diese Pflicht unabhängig davon besteht, ob die Zahlungen steuerfrei sind.

Die Erklärungspflicht gemäß Anlage N des Steuererklärungsvordrucks bezieht sich demnach ausdrücklich auch auf steuerfreien Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen bzw. steuerfrei erhaltene Aufwandsentschädigungen/Einnahmen. Insoweit hat der Richter nach Auffassung des BFH bei Würdigung aller Umstände bezogen auf die Irreführung des FA vorsätzlich unlauter gehandelt und das FA damit arglistig getäuscht.

Denn aus der pflichtwidrig unterlassenen Darlegung eines steuererheblichen Sachverhalts kann nach Ansicht des BFH geschlossen werden, dass die subjektiven Voraussetzungen des § 172 AO erfüllt sind. Dafür genügt auch bedingter Vorsatz. Lediglich aufgrund dieser arglistigen Täuschung ist eine nachträgliche Änderung der Steuerbescheide 2008 bis 2010 somit überhaupt möglich geworden.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechungsgrundsätze zur Korrektur von Steuerbescheiden weiter konkretisiert: Steuererhebliche Tatsachen sind dem FA bei der Veranlagung mitzuteilen, ansonsten ist das FA zur nachträglichen Korrektur berechtigt. Zu diesen Tatsachen zählen alle Angaben, nach denen in den Steuererklärungen gefragt wird.

Dies bedeutet für Unternehmer und auch Steuerberater, die bei der Steuererklärung behilflich sind, dass steuererhebliche Tatsachen generell zu offenbaren sind. Es stellt sich im Einzelfall nur die Frage, welche Tatsachen insbesondere zu benennen sind, um eine nachträgliche Änderung vermeiden zu können, wenn die steuerrechtliche Würdigung fraglich sein könnte. Die steuerrechtliche Würdigung ist daher im Vorfeld zu klären, um eine nachträgliche Änderung des Bescheids zu vermeiden.

BFH, Beschl. v. 28.03.2018 - I R 10/17

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht