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Aufrechnungsverbot nach beendetem Insolvenzverfahren?

Kann das Finanzamt nach einem Insolvenzverfahren gegenüber einer abgetretenen Forderung aufrechnen? Der BFH hat dies bejaht. Denn das Aufrechnungsverbot gilt nur im Insolvenzverfahren - nach dessen Aufhebung  können Gläubiger ihre Ansprüche aber unbeschränkt geltend machen. Dabei besteht dann das Risiko, dass der Wert einer abgetretenen Forderung durch eine Aufrechnung sinkt oder entfällt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob das Finanzamt nach Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Forderungen, die zuvor vom Schuldner abgetreten wurden, aufrechnen kann.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH meldete das Finanzamt Umsatzsteuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Danach setzte das Finanzamt zugunsten der GmbH ein Körperschaftsteuerguthaben fest. Das Guthaben sollte in zehn Raten jeweils zum 30.09. bis zum Jahr 2017 ausgezahlt werden. Teile dieses Guthabens trat der Insolvenzverwalter an die Klägerin ab. Diese übermittelte dem Finanzamt eine Abtretungsanzeige auf amtlichem Vordruck, worauf ihr das Guthaben für 2009 überwiesen wurde. Anfang 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingestellt.

Anderthalb Jahre später teilte das Finanzamt der Klägerin mit, es habe gegen das anteilige Körperschaftsteuerguthaben für 2010 und 2011 mit seiner Forderung aus Umsatzsteuer 2006 gegen die GmbH aufgerechnet. Im Abrechnungsbescheid bestätigte das Finanzamt die Aufrechnung. Außerdem wies es den Einspruch dagegen zurück. Die entsprechende Klage vor dem Finanzgericht war hingegen erfolgreich. Auf Revision des Finanzamts wurde dessen Ansicht nun durch den BFH bestätigt und die Klage abgewiesen.

Aufrechnungsverbot während des Insolvenzverfahrens

Der BFH sieht die Aufrechnung des Finanzamts nach Einstellung des Insolvenzverfahrens als wirksam an, so dass die abgetretenen Forderungen aus Körperschaftsteuerguthaben 2010 und 2011 erloschen sind. Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gilt nur während des Insolvenzverfahrens. Nach Aufhebung eines solchen Verfahrens können Gläubiger ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Folglich kann ein Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens – ebenso wie nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit – die Aufrechnung gegen Forderungen des Schuldners erklären, die nicht mehr der Insolvenzbeschlagnahme unterliegen und über die der Schuldner wieder frei verfügen kann.

Der Insolvenzverwalter hatte der Klägerin zukünftige Körperschaftsteuererstattungsansprüche abgetreten, so dass sie Gläubigerin dieser Ansprüche wurde. Eine Aufrechnung gegen diese Ansprüche ist zulässig gem. § 406 BGB, der über § 226 AO auch im Abgabenrecht gilt. Dabei handelt es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Schuldners, die sein Vertrauen in eine gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehende Aufrechnungslage sowie die Aussicht auf eine künftig möglicherweise entstehende Aufrechnungslage schützt. Durch z.B. eine Abtretung der Forderung darf sich die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtern. Dies wäre aber der Fall, wenn aus einem Aufrechnungsverbot, das ohne die Abtretung zeitlich auf die Dauer des Insolvenzverfahrens begrenzt ist, ein im Fall der Abtretung unbefristetes Aufrechnungsverbot würde.

Aufrechnungsmöglichkeit nach dem Insolvenzverfahren

Für den BFH lässt sich ein zeitlich unbeschränktes Aufrechnungsverbot im Fall einer Abtretung weder mit den anzuwendenden Vorschriften noch mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens rechtfertigen. Denn will der Insolvenzverwalter das Verfahren beenden, aber dennoch Forderungen, die erst künftig entstehen, zur Masse ziehen, kann er die Anordnung der Nachtragsverteilung beantragen. Macht der Insolvenzverwalter von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, sondern zieht er die Verwertung der künftigen Forderungen durch Abtretung vor, so kommt die Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB ungeachtet dessen zur Anwendung.

Derjenige, dem die Forderung abgetreten wird, trägt nach § 406 BGB das Risiko, dass gegen die ihm abgetretene Forderung auch mit Ansprüchen aufgerechnet werden kann, die gegenüber demjenigen bestehen, der die Forderung abgetreten hat. Nach Ansicht des BFH ist es – auch im Fall einer Abtretung zur vereinfachten Forderungsverwertung – mit dem Grundgedanken dieser Schuldnerschutzvorschrift nicht vereinbar, ein Aufrechnungsverbot über die Insolvenzbeschlagnahme hinaus anzuerkennen.

Der Anspruch auf Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens ist nach der Insolvenzeröffnung entstanden. Im Verhältnis des Finanzamts zur GmbH galt zunächst – also während des Insolvenzverfahrens – das Aufrechnungsverbot für die in diesem Zeitraum fällig werdenden Körperschaftsteuererstattungen. Diese Beschränkung besteht nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nicht mehr, so dass sich die Klägerin nicht (mehr) darauf berufen und das Finanzamt wirksam aufrechnen konnte.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH bringt Klarheit: Nach Beendigung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens kann die Finanzverwaltung mit Forderungen aufrechnen, die ein Schuldner zuvor abgetreten hat und die während des Insolvenzverfahrens dem Aufrechnungsverbot unterlegen haben. Der Abtretungsempfänger sollte sich daher künftig des Risikos bewusst sein, dass nach Einstellung des Insolvenzverfahrens der Wert der erhaltenen Forderung durch eine Aufrechnung des Finanzamts drastisch sinken kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Forderung über einen längeren Zeitraum nach Einstellung des Insolvenzverfahrens fällig wird, weil in diesem Fall nicht der Aufrechnungsschutz greift.

BFH, Urt. v. 13.12.2016 - VII R 1/15

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht