Aufgrund einer Reihe von Gerichtsverfahren hat das BMF neue Regeln für die Vorläufigkeit von Steuerbescheiden und die Aussetzung der Vollziehung (AdV) erlassen. Es geht um strittige Fragen, die sich u.a. beim Abzug von außergewöhnlichen Belastungen sowie Kosten für Berufsausbildung und Studium ergeben. Auch bei den Kinderfreibeträgen und dem Verlustvortrag nach § 8c KStG greifen die BMF-Vorgaben.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in einem aktuellen Schreiben dazu Stellung genommen, wie aufgrund mehrerer Entscheidungen der Obergerichte (Bundesfinanzhof und Bundesverfassungsgericht) mit Vorläufigkeitsvermerken in den Steuerbescheiden zu verfahren ist.
Folgewirkungen der Rechtsprechung und gesetzlichen Neuregelung
Nach der gesetzlichen Neuregelung Ende 2018 besteht für die Aussetzung von Steuerbescheiden, in denen § 8c KStG relevant ist, keine Notwendigkeit mehr, so dass das BMF sein bisheriges Schreiben mit sofortiger Wirkung aufgehoben hat. Ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren kommt insoweit nicht mehr in Betracht.
Steuerfestsetzungen sind ab sofort bezüglich folgender Punkte im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig zu erlassen:
- Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder ein Studium als Werbungskosten oder Betriebsausgaben für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2014,
- Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder ein Studium als Werbungskosten oder Betriebsausgaben für Veranlagungszeiträume ab 2015,
- Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG sowie
- Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung.
Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der kindbezogenen Freibeträge ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 mit einer Prüfung der Steuerfreistellung sowie den mit derartigen Einkommensteuerfestsetzungen verbundenen Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer beizufügen.
Der Vorläufigkeitsvermerk bezüglich der zumutbaren Belastung ist in Fällen unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen beizufügen.
Ferner sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen des Solidaritätszuschlags für die Veranlagungszeiträume ab 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig vorzunehmen (gem. § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO).
Möglichkeiten der Aussetzung der Vollziehung
Bei mit einem zulässigen Rechtsbehelf angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für einen Veranlagungszeitraum ab 2004 ist die Aussetzung der Vollziehung (AdV) auf Antrag zu gewähren, soweit die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder sein Studium als Werbungskosten oder Betriebsausgaben strittig ist und bei einer Berücksichtigung dieser Aufwendungen die Einkommensteuer herabzusetzen wäre.
Anträgen auf AdV, die in Rechtsbehelfsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer für den Veranlagungszeitraum 2014 gestellt wurden, ist zu entsprechen, soweit unter Berücksichtigung eines um 72 € erhöhten Kinderfreibetrags je Kind die Steuer herabzusetzen wäre und im Übrigen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Praxishinweis
Das BMF hat mit diesem Schreiben bezüglich der bisherigen Streitpunkte
- Abzug der Kosten für die eigene Berufsausbildung, insbesondere eines Studiums,
- kindbezogene Freibeträge,
- Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags sowie
- Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG
die künftige Vorgehensweise bezüglich der Vorläufigkeit von Steuerbescheiden bzw. der AdV geregelt. Diese Regelungen sollten Steuerberater bei der Prüfung von Steuerbescheiden beachten und gegebenenfalls entsprechende Anträge stellen bzw. Einsprüche einlegen.
BMF, Schr. v. 10.01.2019 - IV A 3 - S 0338/17/10007
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht