Wie müssen Bareinnahmen erfasst werden? Welche Regeln gelten für die Schätzung durchs Finanzamt? Das FG Hamburg hat die Kassenführungspflicht verschärft. Danach kann sogar eine Hosentasche eine Kasse darstellen, die zu täglichen Einzelaufzeichnungen verpflichtet. Im Streitfall war das Finanzamt durch die Buchführungsmängel auch zur Schätzung befugt - deren Höhe bemängelte das Gericht allerdings.
Das Finanzgericht Hamburg (FG) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wann eine Pflicht zur Erfassung von Bareinnahmen besteht und was unter dem Begriff einer Kasse zu verstehen ist.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Antragsteller A betreibt einen Nutzfahrzeughandel mit Bussen, wobei lediglich einige Kunden den Kaufpreis bar leisten. Trotz erheblicher Bareinnahmen und -ausgaben führte A keine Kasseneinzelaufzeichnungen.
Das Finanzamt (FA) hielt dies für unzutreffend und nahm mangels Einzelaufzeichnungen Hinzuschätzungen von 5 % des erklärten Umsatzes vor und unterwarf trotz umsatzsteuerfreier Umsätze die gesamten hinzugeschätzten Umsätze dem Regelsteuersatz von 19 %. A rief daraufhin das zuständige FG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an, das dem FA im Wesentlichen Recht gab.
Schätzungsbefugnis dem Grunde nach – Einzelaufzeichnungspflicht
Die Finanzbehörde ist berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.
Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können, weil sie insbesondere den einschlägigen Vorschriften nicht entsprechen, oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.
Unter anderem sind Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festzuhalten. Das danach täglich zu führende Kassenbuch gehört zu den wesentlichen Grundbüchern eines Unternehmens.
Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bewegung von Bargeld bedürfen aufgrund der erheblichen Manipulationsgefahren einer Anpassung an die Art und Weise der Kassenführung. Der Begriff der Kasse ist weit zu verstehen und umfasst alle Behälter, in denen Bargeld aufbewahrt wird.
Werden die Bareinnahmen in einer sogenannten offenen Ladenkasse erfasst, erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Dies ist die Folge der jederzeitigen Möglichkeit, die Kasse bzw. die Kasseneinnahmen und -ausgaben manipulieren zu können.
Dabei ist kein „Zählprotokoll“ erforderlich. Erforderlich und auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist. Der Kassenbericht muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstags möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen.
Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers
Vor diesem Hintergrund sieht das FG die Buchführung des A als derart mangelhaft an, dass das FA zu einer Schätzung befugt war. Die Buchführung von A ist nach Ansicht des FG bereits deshalb nicht ordnungsgemäß, da er trotz Vorliegens von Kasseneinnahmen und -ausgaben kein Kassenbuch führte, so dass keine Kassensturzfähigkeit vorlag.
Kauft ein Kunde Ware und bezahlt diese umgehend in bar, liegen Kasseneinnahmen vor. Die Pflicht zur Erfassung der Bareinnahmen besteht insbesondere unabhängig davon, ob der Unternehmer ein Kassenbehältnis vorhält, in dem er die Einnahmen aufbewahrt. Als solches Kassenbehältnis ordnet das FG auch die Hosentasche ein.
Schätzungsbefugnis der Höhe nach
Nach Ansicht des FG ist jedoch die Schätzung der Höhe nach zu beanstanden. Das FG hält im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Hinzuschätzung i.H.v. 5 % der Umsätze im Verhältnis der von A erklärten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze für rechtmäßig. Das FG nimmt dabei eine eigenständige Schätzung vor.
Dazu ist eine Schätzungsmethode zu wählen, welche im jeweiligen Einzelfall die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Dabei muss die Schätzung sich allerdings in dem Schätzungsrahmen halten, den die Umstände des Falls vorgeben.
In diesem Zusammenhang ist es gerechtfertigt, bei einer Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen, insbesondere bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung, einen Sicherheitszuschlag vorzunehmen. Der Sicherheitszuschlag lässt sich dabei als eine griffweise Schätzung, die in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen muss, charakterisieren.
Im Besprechungsfall hält das FG einen (Un-)Sicherheitszuschlag i.H.v. 5 % auf die erklärten Umsätze für angemessen. Das sich durch eine Hinzuschätzung von 5 % der erklärten Umsätze ergebende Mehrergebnis hält sich nach Ansicht des FG im gebotenen Schätzungsrahmen. Die Schätzung ist der Höhe nach grundsätzlich wirtschaftlich möglich und hält einer Plausibilitätsprüfung stand.
Jedoch geht das FG davon aus, dass die hinzugeschätzten Umsätze sich gleichmäßig auf die (umsatz-)steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze verteilen. Die vom FA vorgenommene Hinzuschätzung hat das FG daher entsprechend korrigiert.
Praxishinweis
Die Entscheidung des FG verschärft die bisherigen Grundsätze für die Kassenführung weiter. Da künftig für eine Kasse die bloße Hosentasche ausreicht, sind bei erheblichen Bareinnahmen praktisch immer tägliche Einzelaufzeichnungen zu führen.
Die vorliegende Entscheidung erging im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung, so dass diese Grundsätze für alle Unternehmer mit steuerpflichtigen Umsätzen gelten, unabhängig davon, auf welche Art dieser ertragsteuerlich seinen Gewinn oder Überschuss ermittelt. Dies stellt eine erhebliche Verschärfung dar; es bleibt abzuwarten, ob der BFH und andere FGs diese Ansicht künftig teilen werden.
FG Hamburg, Beschl. v. 28.02.2020 - 2 V 129/19
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht