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Verfahrensrecht -

Kassengesetz: Welche Frist gilt bei der TSE-Zertifizierung?

Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen („Kassengesetz“) schreibt seit Anfang 2020 die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) bei elektronischen Kassensystemen vor. Eine Nichtbeanstandungsregelung des BMF haben die meisten Bundesländer bis zum 31.03.2021 verlängert. Dem steht ein BMF-Schreiben entgegen, dem wiederum die Länder widersprochen haben.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit seinem am 08.09.2020 veröffentlichten Schreiben der Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung für die Einführung einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) i.S.d. § 146a AO durch die Bundesländer bis zum 31.03.2021 widersprochen.

Einführung einer zertifizierten TSE

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (sog. Kassengesetz) hat die Bundesregierung den § 146a AO eingeführt. Dieser verpflichtet Unternehmer, die mit elektronischen Kassensystemen arbeiten, eine zertifizierte TSE zu verwenden. Die TSE soll eine nachträgliche Kassenmanipulation verhindern.

Zusätzlich wurde die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr am 07.07.2017 vom Bundesrat beschlossen, in der die technischen Anforderungen an derartige Systeme näher definiert werden.

Die Bundesregierung möchte durch die Einführung des § 146a AO die nachträgliche Manipulation von digitalen Grundaufzeichnungen verhindern. Die durch den technischen Fortschritt entstehenden Möglichkeiten zur Veränderung der geführten Aufzeichnungen führen nach Auffassung der Bundesregierung zu erheblichen Ausfällen bei dem Aufkommen aus Umsatz- und Ertragsteuern.

Demnach muss ein Kassensystem verwendet werden, welches gewährleistet, dass die Geschäftsvorfälle korrekt, einzeln, vollständig, zeitnah und systematisch geordnet aufgezeichnet werden. Zudem muss nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 2 Satz 2 KassenSichV jedem Vorgang eine eindeutige Transaktionsnummer sowie ein Prüfwert zugeordnet werden. Zudem muss festgehalten werden, ob bar oder unbar bezahlt wurde.

Die TSE soll dann nachträglich gewährleisten, dass die so geführten Aufzeichnungen geschützt sind und nicht mehr manipuliert werden können. Dazu muss eine TSE insgesamt aus drei Bestandteilen bestehen:

  • einem Sicherheitsmodul,
  • einem Speichermedium,
  • einer einheitlichen digitalen Schnittstelle.

Die Aufzeichnungen werden auf dem jeweiligen Speichermedium protokolliert.

Mitteilungspflicht gegenüber Behörden

Nach § 146a Abs. 4 AO sind die Unternehmen verpflichtet, die Finanzverwaltung auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck über die Implementierung der TSE zu informieren.

Das Thüringer Finanzministerium hat zudem in einer eigenen Verfügung bekanntgegeben, dass sich die Länder auf ein einheitliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung der erforderlichen Daten verständigt haben. Ein Papiervordruck ist nicht vorgesehen.

Ein Zeitpunkt, wann das elektronische Verfahren für die Meldung zur Verfügung steht, ist jedoch noch nicht bekannt.

Einführung zum 01.01.2020

Der § 146a AO wurde durch das Kassengesetz vom 22.12.2016 zum Jahresbeginn 2020 eingeführt. Die elektronischen Kassensysteme hätten somit bereits seit dem 01.01.2020 mit einer zertifizierten TSE ausgerüstet sein müssen.

Es kam jedoch zu Verzögerungen bei der genauen Erarbeitung der Voraussetzungen für eine TSE durch das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik, woraufhin das BMF mit Schreiben vom 06.11.2019 reagierte und eine Nichtbeanstandungsregelung eingeführt hat.

Diese Nichtbeanstandungsregelung räumte den Unternehmen für die Ausrüstung ihrer Kassensysteme mit einer TSE sowie für die o.g. Mitteilungspflicht eine weitere Frist bis zum 30.09.2020 ein.

Da jedoch für cloudbasierte Kassensysteme noch keine TSE-Lösungen vorliegen, die Implementierung der Systeme aufgrund der Coronakrise verzögert wurde und eine zusätzliche Belastung durch die Umstellung auf die neuen Umsatzsteuersätze entstanden ist, haben alle Finanzministerien der Bundesländer mit Ausnahme von Bremen die Nichtbeanstandungs-regelung bis zum 31.03.2021 unter bestimmten Voraussetzungen verlängert.

In den meisten Bundesländern wird die Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung unter der Voraussetzung verlängert, dass

  • der Unternehmer die erforderliche Anzahl an TSE bei einem Kassenfachhändler oder einem anderen Dienstleister bis zum 30.09.2020 nachweislich verbindlich bestellt oder in Auftrag gegeben hat oder
  • ein Einbau einer cloudbasierten TSE vorgesehen ist, eine solche aber nachweislich noch nicht verfügbar ist.

In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Berlin, Brandenburg und Sachsen ist es jedoch erforderlich, einen solchen Nachweis bereits bis zum 31.08.2020 zu erbringen. Teilweise muss zudem zusätzlich der Nachweis erbracht werden, dass der Einbau der TSE nicht bis zum 30.09.2020 möglich war, oder es muss ein konkreter Einbautermin benannt werden.

Ein gesonderter Antrag ist für die Verlängerung nicht erforderlich. Es müssen jedoch bei einer Prüfung der Kassenführung entsprechende Nachweise vorgebracht werden, warum zum 30.09.2020 das Kassensystem noch nicht mit einer TSE ausgerüstet war.

Mit seinem Schreiben vom 18.08.2020, veröffentlicht am 08.09.2020, betont das BMF jedoch, dass es an seiner bisherigen Nichtbeanstandungsregelung bis zum 30.09.2020 festhält und keine zusätzliche Verlängerung gewährt.

Welche Frist ist nun anzuwenden?

Mehrere Bundesländer haben mit einer Länderverfügung (z.B. Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat vom 14.09.2020 – 33 - S 0319 - 1/2) auf das BMF-Schreiben vom 18.08.2020 reagiert. Danach seien die Auffassungen des BMF nicht zutreffend und die in dem BMF-Schreiben vom 18.08.2020 getroffenen Anweisungen nicht auf die Allgemeinverfügungen der Länder anzuwenden.

Dem Bund stehe zudem kein Weisungsrecht gem. Art. 85 Abs. 3 GG gegenüber den Länderbehörden in diesen Fällen zu, da dieses nur in konkreten Einzelsachverhalten zur Anwendung kommt. Ebenso käme das allgemeine Weisungsrecht i.S.d. § 21a FVG nicht zum Tragen.

Die entsprechenden Länderverfügungen bleiben somit rechtskräftig und weiterhin anwendbar.

Praxishinweis

Eine eindeutige bundeseinheitliche Regelung für die Einführung der TSE für Kassensysteme wäre wünschenswert. Vor dem Hintergrund der Coronaviruspandemie und der zusätzlichen Belastung durch die Umstellung auf die verringerten Umsatzsteuersätze hat sich die Einführung der Kassensysteme flächendeckend verzögert, was das BMF jedoch nicht in seinem Schreiben anerkennen will.

Aufgrund der im Grundgesetz vorgenommenen Zuständigkeitsbestimmungen bleibt die von den Ländern vorgenommene Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung – mit der Ausnahme von Bremen – wohl in Kraft. Da die Prüfung derartiger Kassensysteme vornehmlich in den Zuständigkeitsbereich der Landesbehörden fällt, sollten sich Steuerberater und Steuerpflichtige nach den in den Ländererlassen herausgegebenen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung richten.

BMF-Schreiben v. 18.08.2020 - IV A 4 – S 0319/20/10002 :003
Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016, BGBl I S. 3152

Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater und Diplom-Finanzwirt (FH)