Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen ist bereits am 28.12.2016 in Kraft getreten und enthält ein wahres Konglomerat an Maßnahmen zur Reduktion von Manipulationsmöglichkeiten digitaler Aufzeichnungen.
In diesem Rahmen werden u.a. eine Einzelaufzeichnungspflicht nach § 146 Abs. 1 Satz 1 AO, die sog. Kassen-Nachschau gem. § 146b AO sowie Regelungen über elektronische Aufzeichnungssysteme nach § 146a AO eingeführt.
Diese werden durch neue Ordnungswidrigkeitentatbestände nach § 379 AO flankiert (siehe dazu ausführlich Dißars, NWB 2016, 1572 ff.). Nachfolgend wird auf den am 17.06.2019 erschienenen Anwendungserlass zu § 146a AO eingegangen.
Zeitlicher Anwendungsbereich und Übergangsfristen zu § 146a AO
Nach den Anwendungsvorschriften zu § 146a AO gelten die Regelungen des § 146a AO erstmalig für Kalenderjahre, die nach dem 31.12.2019 beginnen.
Allerdings gibt es für Registrierkassen, welche nach dem 25.11.2010 und vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden, eine Übergangsregelung, wenn diese die Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26.11.2010 erfüllen, aber bauartbedingt nicht aufrüstbar sind, so dass sie die Anforderungen des § 146a AO nicht erfüllen.
Diese dürfen übergangsweise bis zum 31.12.2022 weiterhin verwendet werden, wenn die Nachweise dieser Voraussetzungen vorliegen, welche der Systemdokumentation beizufügen sind. Solche Nachweise können beispielsweise durch eine Bestätigung des Kassenherstellers erbracht werden.
Hinweis: Von den Übergangsregelungen sind PC-Kassensysteme laut Anwendungserlass grundsätzlich nicht erfasst. Dies ist weder mit Blick auf den Wortlaut des Gesetzes gem. Art. 97 § 30 EGAO noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung begründbar. Denn es ist durchaus denkbar, dass ein PC-Kassensystem nicht mehr nachrüstbar ist (siehe hierzu die Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines BMF-Schreibens zur Einführung des § 146a AO v. 11.03.2019, 6).
Neue Mitteilungspflichten ab dem 01.01.2020
Im Rahmen der Einführung von § 146a AO wurden neue Mitteilungspflichten für Steuerpflichtige erlassen. Danach sind aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems dem zuständigen Finanzamt nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck mitzuteilen.
Diese Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme des elektronischen Aufzeichnungssystems zu erstatten. Bemühungen für eine Übergansregelung wurden seitens der Finanzverwaltung nicht aufgenommen.
Hinweis: Die Mitteilungspflichten nach § 146a Abs. 4 AO gelten nicht für Registrierkassen, für die die Übergangsregelungen bis zum 31.12.2022 Anwendung finden.
Zertifizierte TSE
Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen nach § 146a AO ab dem 01.01.2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) geschützt werden, welche aus drei Bestandteilen, einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle, besteht.
Die technischen Anforderungen an die zertifizierte TSE werden nach § 146a Abs. 3 Satz 3 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 KassenSichV durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) konkretisiert.
Das BSI hat nach § 5 KassenSichV dazu die technischen Richtlinien sowie die technischen Anforderungen an das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle des elektronischen Aufzeichnungssystems erarbeitet.
Hinweis: Im BMF-Schreiben zur Bekanntmachung eines Hinweises auf die Veröffentlichung geänderter Technischer Richtlinien des BSI vom 28.02.2019 sind die geänderten Richtlinien unter den dort angeführten Links abrufbar (BMF-Schreiben v. 28.02.2019 - IV A 4 - S 0316/13/10005 :071).
Praxistipp: Die Unveränderbarkeit von Buchungen oder Aufzeichnungen ist bereits durch § 146 Abs. 4 AO gesetzlich vorgeschrieben, so dass auch bereits jetzt die Manipulationssicherheit durch den Steuerpflichtigen sicherzustellen ist. So sind mit Standardsoftware erstellte Tabellen nicht manipulationssicher und entsprechen somit nicht den Vorschriften zur Kassenführung. Ein in Excel geführtes Kassenbuch wird nach der Rechtsprechung des BFH nicht anerkannt und berechtigt zu Hinzuschätzungen nach § 162 AO (BFH, Beschl. v. 13.03.2013 - X B 16/12). Am Markt erhältliche Software wird nur dann als ordnungsgemäß anerkannt, wenn nachträgliche Änderungen unmöglich bzw. falls möglich, mit einem entsprechenden, automatisch vom Programm gesetzten Vermerk gekennzeichnet werden (s. dazu OFD Karlsruhe v. 03.04.2019, Merkblatt betr. Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung; Einsatz von elektronischen Kassen).
Belegausgabepflicht
Darüber hinaus wurde mit § 146a Abs. 1 Satz 1 AO die sog. Belegausgabepflicht normiert. Danach sind aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems zu erfassen, welches jeden aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall und anderen Vorgang einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzeichnet.In diesem Kontext konkretisiert der Anwendungserlass die Anforderungen an die Belegausgabepflicht.
Grundsätzlich kann ein Beleg nach § 6 Satz 3 KassenSichV elektronisch oder in Papierform zur Verfügung gestellt werden, wobei eine elektronische Bereitstellung des Belegs der Zustimmung des Kunden bedarf. Unabhängig von der Entgegennahme durch den Kunden ist der elektronische Beleg in jedem Fall zu erstellen.
Eine solche elektronische Belegausgabe muss in einem standardisierten Datenformat wie z.B. JPG, PNG oder PDF erfolgen und soll auf einem Endgerät des Kunden mit einer kostenfreien Standardsoftware lesbar sein.
Praxistipp: Nach § 146a Abs. 2 Satz 2 AO kann bei einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen auf Antrag und mit Zustimmung der zuständigen Behörde nach § 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht abgesehen werden. Ausschlaggebend könnte im Rahmen einer Ermessenentscheidung sein, ob die Belegausgabe und Zurverfügungstellung des Belegs den Umsatz beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung wäre vorstellbar, wenn eine Warteschlange entstehen oder sich verlängern würde. Dies sollte jedoch nur vereinzelt der Fall sein, beispielsweise bei einem Bierstand im Fußballstadion oder bei einer Bar in einer Diskothek, nicht aber bei einem Supermarkt (siehe dazu ausführlich: Klein/Rätke, AO, 14. Aufl., § 146a Rdnr. 25 bis 32). Im Falle einer Ablehnung kann diese mit einem Einspruch angefochten werden.
Hinweis: Die Befreiung von der Belegausgabepflicht nach § 146a Abs. 2 AO entbindet den Unternehmer nicht von dem Anspruch des Kunden auf die Ausstellung einer Quittung (§ 368 BGB). Wiederum gilt: Die Belegausgabepflicht hat ab 01.01.2020 nur derjenige zu befolgen, der Geschäftsvorfälle mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems i.S.d. § 146a Abs. 1 Satz 1 AO erfasst.
Fazit: § 146a AO bringt Unternehmer unter Zeitdruck
Der Anwendungserlass enthält eine Vielzahl an Konkretisierungen, die jedoch das Vorhandensein von zertifizierten TSE voraussetzen. Da laut Gesetzesbegründung über zwei Millionen Kassen von der Umrüstung betroffen sind, bezweifeln viele Verbände, ob die Umrüstungen bis zum Jahresende leistbar sind.
Bislang sind noch keine zertifizierten TSE auf dem Markt verfügbar und es könnte aufgrund der Masse an notwendigen Umrüstungen zu Lieferengpässen kommen. Auch werden die Kassenhersteller zur Anpassung ihrer Software sowie die Steuerpflichtigen einen ausreichenden Vorlauf benötigen. Steuerpflichtige wie auch ihre Berater sollten sich darauf einstellen, zum Jahresende eventuell kurzfristig reagieren zu müssen.
BMF -Schreiben v. 17.06.2019 - IV A 4 - S 0316-a/18/10001
Volker Küpper, Steuerberater, Dipl.-Volkswirt