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Nachträgliche Werbungskosten: BFH erweitert die Abzugsmöglichkeiten

Auch nachträgliche Schuldzinsen können bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn der Erlös aus dem Verkauf der Einkunftsquelle nicht ausreicht, das Darlehen vollständig abzulösen. Dies gilt nach einem aktuellen BFH-Urteil auch dann, wenn die ursprüngliche Einkunftsquelle nicht steuerbar veräußert wurde. Notwendig ist insoweit ein fortbestehender Veranlassungszusammenhang.

Mit Urteil vom 08.04.2014 hat der BFH entschieden, dass nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein umgeschuldetes Anschaffungsdarlehen gezahlt werden, abzugsfähige Werbungskosten sein können, wenn die Anschaffung ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedacht war. Dieser nachträgliche Abzug ist auch dann möglich, wenn das Objekt zwischenzeitlich nicht ertragsteuerpflichtig veräußert wurde. Voraussetzung bleibt aber, dass der erzielte Erlös den Anschaffungskredit nicht tilgen konnte.  Der (anteilige) Schuldzinsenabzug ist also - bis das Anschaffungsdarlehen vollständig getilgt ist - möglich.

Im entschiedenen Fall waren die Kläger an einer BGB-Gesellschaft (GbR) beteiligt, die im Jahr 1996 ein Mehrfamilienhaus mithilfe eines Bankdarlehens  errichtet hatte und daraus steuerpflichtige Einkünfte bezog. Die GbR veräußerte außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG das Mehrfamilienhaus und der Veräußerungserlös wurde im Jahr 2008 auf dem Bankkonto der GbR gutgeschrieben. Der Veräußerungserlös reichte allerdings nicht zur Tilgung des Darlehens aus.  Zur Tilgung und Finanzierung der übernommenen Restschulden der GbR  gingen  die Kläger dann eine neue Bankverbindlichkeit ein und machten hierfür in 2009 Schuldzinsen bei ihren Einkommensteuerveranlagungen als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Das Finanzamt lehnte den nachträglichen Schuldzinsenabzug mit der Begründung ab, eine Berücksichtigung dieser Beträge sei nur möglich, wenn das Mehrfamilienhaus  steuerpflichtig veräußert worden wäre.

BFH-Grundsätze

Mit dem aktuellen Urteil ermöglicht der BFH einen Schuldzinsen-Abzug unabhängig  davon, ob die Veräußerungserlöse gem. § 23 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 EStG steuerbar sind. Die obersten Finanzrichter machen sich damit die sog. Surrogationsbetrachtung zu eigen: Nachträgliche Schuldzinsen können demnach bei den Gewinn- und den Überschusseinkünften  unabhängig  von der Steuerbarkeit der Veräußerungserlöse als abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden. Die Entscheidung ist im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung nachträglicher Schuldzinsen und den Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung zu verstehen. 

Fortbestehender Veranlassungszusammenhang

Laut BFH entfällt ein einmal begründeter und nicht weggefallener Veranlassungszusammenhang nicht schon deshalb, weil die mit der Darlehenssumme erworbene Immobilie veräußert wird. Vielmehr besteht der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang fort, wenn die Verbindlichkeit durch den Verkaufserlös nicht (vollständig) getilgt werden kann.

Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist ansonsten maßgebend, wofür der Veräußerungserlös verwendet wird:

  • Wenn mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle finanziert wird, besteht der Veranlassungszusammenhang am neuen Objekt fort.
  • Wenn kein neues Objekt angeschafft wird, kommt es darauf an, ob der Verkaufspreis ausreicht, um das Darlehen (vollständig) abzulösen.
  • Wenn die vollständige Ablösung des Darlehens möglich wäre, endet der wirtschaftliche Zusammenhang mit der ursprünglichen Einkunftsquelle (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung).
  • Reicht der Verkaufserlös nicht zur vollständigen Tilgung aus, besteht auch für den nicht abgelösten Teil der Veranlassungszusammenhang fort.
  • Der Veranlassungszusammenhang kann auch bei Schuldzinsen, die auf Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlt werden, fortbestehen.

Personengesellschaften

Nach der Beendigung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft werden die Darlehen, die auf Einkünfte der Gesellschaft abzielten, den (ehemaligen) Gesellschaftern in dem Umfang zugerechnet, in dem auch vorher die Einkünfte unter ihnen verteilt wurden.

Praxishinweis

In vergleichbaren Fällen ist es empfehlenswert, die Umstände der Umschuldung genau zu dokumentieren (z.B. vor dem Hintergrund: Wer hat vor der Umschuldung das Darlehen mit welchem Anteil getilgt?). Ein Verkaufserlös sollte möglichst zur vollständigen Ablösung des Altdarlehens verwendet werden; andernfalls sollte dokumentiert werden,  warum nicht der gesamte Erlös zur Tilgung des Darlehens verwendet wurde. Bei gesellschaftsrechtlichen Konstellationen sollten die Umstände der Beendigung der Gesellschaft dokumentiert werden. So kann schon dem Verdacht eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) frühzeitig begegnet werden.

BFH, Urt. v. 08.04.2014 - IX R 45/13
BFH, Urt. v. 20.06.2012 - IX R 67/10, BStBl 2013 II 275

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann