Das BMF hat mit einem Verwaltungsschreiben ein BFH-Urteil zu den sogenannten Sicherungseinbehalten bei Baumängeln umgesetzt. Der BFH hatte entschieden, dass ein Unternehmer bei einem durchgeführten Sicherungseinbehalt die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage entsprechend mindern kann, weil insoweit seine Entgeltansprüche auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar und damit „uneinbringlich“ sind.
Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 24.10.2013 festgestellt, dass ein Unternehmer grundsätzlich im Umfang des vom Vertragspartner durchgeführten Sicherungseinbehalts seine Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 S. 1 UStG vermindern kann. Hintergrund dieser Problematik ist der in der Baubranche häufige Fall, dass der Auftraggeber wegen befürchteter Baumängel nur selten trotz Fälligkeit das gesamte vereinbarte Entgelt sofort zahlt und der Bauunternehmer somit die Umsatzsteuer vorfinanzieren muss. Eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage ist ja insoweit nicht zulässig.
Außerdem ist die Zurückbehaltung eines Teils des vereinbarten Baupreises (also ein Sicherungseinbehalt im weitesten Sinne) im Rechtsalltag ein beliebtes Instrument, um mögliche Nachbesserungsarbeiten zu beschleunigen.
Leider lässt das BMF diese Änderung der Rechtsmeinung erst zwei Jahre später in die Verwaltungsanweisungen einfließen. Das BMF erklärte in seinem „Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2)“ vom 12.10.2009, dass die vom Auftraggeber vorgenommenen Sicherungseinbehalte keine Entgeltminderung nach § 17 Abs. 1 S. 1 UStG darstellen (siehe Nr. V). Als nun im Jahre 2013 der BFH die gegenteilige Rechtsmeinung vertrat, musste insbesondere die Fachliteratur noch bis zum 03.08.2015 auf die Übernahme dieser Ansicht in die UStAE warten.
Ansicht des BFH
Im Einzelnen vertritt der BFH die Auffassung, dass ein Unternehmer zur umsatzsteuerlichen Sollbesteuerung bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung nach § 17 UStG berechtigt ist, wenn es ihm nicht möglich ist, seinen gesamten Entgeltanspruch auf einmal zu verwirklichen. In diesem Fall gilt der Teil der Entgeltforderung, der auf sogenannten Sicherungseinbehalten für Baumängel beruht, grundsätzlich als uneinbringlich, weil er während dieser Zeit die Teile der Forderung ganz oder teilweise rechtlich und tatsächlich nicht durchsetzen kann.
Voraussetzungen für die Berichtigung
Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsauffassung gelten nun gemäß BMF folgende Voraussetzungen für diese Berichtigung nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UStG:
- Der Auftragnehmer darf keine Bankbürgschaft an seinen Auftraggeber gerade für diese Baumängelhaftung erteilt haben;
- eine Bankbürgschaftsgestellung darf dem Auftragnehmer nicht möglich sein (z.B. aufgrund seiner schlechten finanziellen Gesamtsituation);
- es muss sich um einen vertraglich vereinbarten Einbehalt zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen des Leistungsempfängers handeln;
- der Zeitraum, für den der Entgelteingang nicht absehbar ist, muss mehr als zwei (bis hin zu fünf) Jahre nach Leistungserbringung betragen und
- der Auftragnehmer hat die vorgenannten Voraussetzungen, die zur Uneinbringlichkeit führen, für jeden einzelnen Leistungsvertrag dem Finanzamt nachzuweisen.
Die Vorsteuerberichtigung durch den Auftraggeber wird im Fall des Sicherungseinbehalts zwar angeordnet, aber sie ist beim Auftragnehmer keine notwendige Voraussetzung für die Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG.
An dieser Stelle beginnen die tatsächlichen und rechtlichen Probleme. Deren rechtliche Einordnung ist dem BMF bisher nicht gelungen und wird auch jetzt leider nur zum Teil aufgelöst.
Kritik am BMF
Der BMF spricht von einem vertraglichen Sicherungseinbehalt. Nicht geregelt wurde also die nicht vereinbarte Zurückbehaltung/Nichtzahlung von vereinbartem Leistungsentgelt ohne vorherige Zurückbehaltungsvereinbarung. Wie ist zu verfahren, wenn der vertraglich vereinbarte Sicherungseinbehalt beispielsweise aufgrund der Inhaltskontrolle der AGB nach § 307 BGB unwirksam ist? Über eine derartige Unwirksamkeit wurde beispielsweise vom OLG Köln mit Urteil vom 05.04.2012 entschieden.
Nicht geklärt wurde auch, was in diesem Zusammenhang eigentlich Bewirkung des Sicherungseinbehalts bedeutet, um die Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG vornehmen zu können. Reicht die bloße schriftliche Ankündigung des Auftraggebers, er werde sein Recht auf Sicherungseinbehalt geltend machen? Ist erst die Nichtbezahlung am Fälligkeitstag der entscheidende Zeitpunkt oder muss der Bauunternehmer sogar noch einige Zeit - voller Mahnungen - zuwarten? Wie lange muss er dann warten? All diese Fragen sind zwar nicht neu, aber vom BMF noch nicht beantwortet.
Das BMF hat nun in Abschn. 17.1 Abs. 5 UStAE mit sofortiger Wirkung und für alle noch nicht entschiedenen Fälle Satz 3 mit seinen Grundsätzen eingefügt.
Praxishinweis
Schon im Sinne guter Kundenbeziehungen sollte der Bauunternehmer bei Durchführung des Sicherungseinbehalts (z.B. Nichtbezahlung dieses Entgeltanteils) seinen Auftraggeber darauf hinweisen, dass er die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage geändert hat und deshalb auch der Auftraggeber insoweit zur Minderung der Vorsteuer verpflichtet ist. Es ist jedoch nicht empfehlenswert, diese Information einfach durch die Übersendung einer „berichtigten Rechnung“ vorzunehmen, weil dies beim Empfänger als Minderung des vereinbarten Leistungspreises missverstanden werden könnte. Selbstverständlich ist später - beim restlichen Geldeingang - eine erneute Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach oben i.S.v. § 17 UStG vorzunehmen.
BMF-Schreiben v. 03.08.2015 - III C 2 - S-7333/08/10001 :004
BMF-Schreiben v. 12.10.2009 - IV B 8 – S-7270/07/10001; BStBl I 2009, 1292
BFH, Urt. v. 24.10.2013 - V R 31/12
OLG Köln, Urt. v. 05.04.2012 - 7 U 195/11
Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann