Wie wird die Vorsteuer bei Baukosten und laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus aufgeteilt, wenn sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze erzielt werden? Der BFH hat entschieden, dass es bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes - anders als bei laufenden Aufwendungen - auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes ankommt.
Der BFH setzt mit einem aktuellen Urteil die Rechtsprechung des EuGH zur Vorsteueraufteilung in nationales Recht um. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmen verwendete ein Wohn- und Geschäftshaus sowohl für steuerfreie als auch für steuerpflichtige Vermietungsumsätze. In solchen Fällen gilt allgemein, dass der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig ist, wie die bezogenen Eingangsleistungen – hier bestehend aus u.a. Baumaterial und Handwerkerleistungen – für steuerpflichtige Ausgangsumsätze verwendet werden.
Die daher vorzunehmende Aufteilung der Vorsteuern ist seit 2004 vorrangig nach dem Flächenschlüssel und nur nachrangig nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. Umsatzschlüssel) zulässig. Das Unternehmen ermittelte die abziehbaren Vorsteuern gleichwohl nach dem Umsatzschlüssel, während das Finanzamt die Vorsteueraufteilung zuungunsten des Unternehmens gemäß dem Flächenschlüssel korrigierte.
Zudem korrigierte das Finanzamt wegen des abweichenden Ermittlungsschlüssels einen Teil der in den vergangenen Jahren seit Beginn der Baumaßnahme anerkannten Vorsteuerbeträge. Das Finanzgericht folgte dem Unternehmer teilweise, allerdings sah der BFH dies überwiegend anders.
Aufteilungsmaßstab für die Herstellung von Gebäuden und spätere Eingangsleistungen
Der BFH folgt dem EuGH hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs der Vorsteuer bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes: In diesen Fällen ist auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen und im Gegensatz zu den laufenden Aufwendungen nicht darauf, welche Aufwendungen in welche Teile des Gebäudes eingehen. EuGH und BFH begründen dies damit, dass bei der Herstellung eine Zuordnung der Gegenstände oder Dienstleistungen zu den Umsätzen, für die sie verwendet werden, „in der Praxis […] zu komplex und somit schwer durchführbar“ ist. Im Gegensatz dazu sei die Zuordnung der für die Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung eines gemischt genutzten Gebäudes erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zu den Ausgangsumsätzen, für die sie verwendet werden, in der Praxis allgemein leicht durchführbar.
Anwendung des Flächenschlüssels bei späteren Eingangsleistungen
Laut BFH ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel bei der Vorsteueraufteilung regelmäßig eine sachgerechte und „präzisere“ Berechnung des Vorsteuerabzugs als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel – nämlich immer dann, wenn die Flächen, die zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden, miteinander vergleichbar sind.
Anders ist es, wenn die Nutzflächen eben nicht miteinander vergleichbar sind, weil etwa die Ausstattung der den unterschiedlichen Zwecken dienenden Räume erhebliche Unterschiede aufweist. Solche erheblichen Unterschiede können in der Höhe der Räume, Dicke der Wände und Decken oder in der Innenausstattung liegen. In solchen Fällen können die Eingangsleistungen nicht gleichmäßig auf die Fläche verteilt werden. Der Flächenschlüssel ist damit u.U. nicht der genauere Aufteilungsmaßstab. Also gilt: Führt die Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug unter Anwendung des Flächenschlüssels zu keinem „präziseren“ Ergebnis, so gilt der Umsatzschlüssel.
Weil das Finanzgericht aus Sicht des BFH im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt hat, ob die Flächen des Wohn- und Geschäftshauses vergleichbar sind, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an diese zurück.
Vorsteuerberichtigung auch für die Zeit vor 2004
Hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs bei einer möglichen Vorsteuerberichtigung gehen BFH und EuGH davon aus, dass der Flächenmaßstab hierbei auch für die Jahre vor 2004 angewendet werden kann. Der BFH folgt dem EuGH insofern, als dass auch aus seiner Sicht die allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer solchen Vorsteuerberichtigung nicht entgegenstehen. Außerdem sei eine derartige Vorsteuerberichtigung keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Vorjahre.
Im vorliegenden Fall fehlten dem BFH allerdings auch insoweit tatsächliche Feststellungen des Finanzgerichts, um den zutreffenden Aufteilungsmaßstab zu ermitteln.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH setzt zunächst die Rechtsprechung des EuGH in deutsches Recht um. Damit steht nun fest, dass bei gemischt genutzten Gebäuden hinsichtlich der Herstellung und der späteren Eingangsleistungen beim Aufteilungsmaßstab zu unterscheiden ist: Bei der Herstellung gilt der Flächenschlüssel, während bei den späteren Leistungen je nach Vergleichbarkeit der Flächen auch eine Aufteilung anhand der Nutzung der Flächen in Betracht kommen kann. Zu beachten ist aber vor allem, dass diese Änderung auch für die Veranlagungszeiträume vor 2004 gilt. Die dadurch erhöhte Rechtssicherheit ist zu begrüßen. Alle Unternehmer mit gemischt genutzten Gebäuden sollten daher ihren Aufteilungsmaßstab überprüfen.
BFH, Urt. v. 10.08.2016 - XI R 31/09
EuGH, Urt. v. 09.06.2016 - C-332/14
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz