Wann greift die begünstigte Besteuerung nach § 34 EStG für mehrjährige Tätigkeiten? Der BFH hat klargestellt: Die Vergütung muss mit der Dauer der Tätigkeit zweckmäßig verknüpft sein. Es reicht nicht aus, dass der Arbeitgeber den Lohn lediglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt hat. Im Streitfall war zuvor ein arbeitsgerichtlicher Vergleich über Lohnzahlungen geschlossen worden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16.12.2021 (VI R 10/18) entschieden, dass Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden, eine zweckbestimmte Verknüpfung mit der Tätigkeitsdauer voraussetzen.
Eine Auszahlung des Arbeitslohns allein in einem späteren Veranlagungszeitraum reicht für eine ermäßigte Besteuerung nicht aus.
Sachlage im Streitfall
Dem Kläger wurde im Jahr 2012 von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt. Nach dem Ende seiner Tätigkeit bezog der Kläger zunächst Arbeitslosen- und Krankengeld.
Gegen seinen Arbeitgeber strengte der Kläger einen arbeitsrechtlichen Prozess an, der mit einem Vergleich und der Auszahlung einer Abfindung sowie der Nachzahlung des Arbeitslohns für das Jahr 2012 endete. Die Abfindung sowie die Nachzahlung des Arbeitslohns wurden im Jahr 2013 ausgezahlt.
In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger die Anwendung des § 34 Abs. 2 EStG auf die durch seinen ehemaligen Arbeitgeber geleisteten Auszahlungen. Das Finanzamt gewährte jedoch die ermäßigte Besteuerung lediglich für die Abfindung, nicht für die nachträgliche Auszahlung des Arbeitslohns.
Gegen diese Behandlung des nachträglich ausgezahlten Arbeitslohns wendete sich der Kläger. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob er vor dem Finanzgericht Klage - ebenfalls ohne Erfolg. Auch der BFH wies die Klage als unbegründet zurück.
Ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG werden außerordentliche Einkünfte auf Antrag einem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG).
Dagegen gehören Zahlungen, die zur Erfüllung einer Verpflichtung aus streitigen Rechtsverhältnissen geleistet werden, nicht zu den nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG begünstigten Entschädigungen.
Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG sind Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit ermäßigt zu besteuern, die für einen Zeitraum von mindestens zwei Veranlagungszeiträumen ausgezahlt werden. Daher ist auch eine Vergütung für jede Tätigkeit, die sich auf mehr als zwei Veranlagungszeiträume erstreckt, begünstigt zu besteuern.
Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass die Vergütung lediglich in einem anderen Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird als in demjenigen, zu dem sie wirtschaftlich gehört. Es müssen zudem wirtschaftlich vernünftige Gründe für die zusammengeballte Auszahlung des Arbeitslohns vorliegen.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Da der nachträglich ausgezahlte reguläre Arbeitslohn lediglich in einem anderen Veranlagungszeitraum ausgezahlt wurde als in demjenigen, zu dem er wirtschaftlich gehört, rechtfertigt dies keine Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.
Die ermäßigte Besteuerung war nicht anzuwenden, da die Vergütung nicht für eine mehrjährige Tätigkeit ausgezahlt wurde, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckte.
Auch eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommt lediglich für die ausgezahlte Abfindungszahlung, jedoch nicht für die Nachzahlung des regulären Arbeitslohns in Betracht, da lediglich die Abfindung einen Ersatz für aufgrund einer Vertragsbeendigung entgangene Einnahmen darstellt.
Praxishinweis
Die Anwendung der Fünftelregelung nach § 34 Abs. 1 EStG kommt lediglich unter den Bedingungen des § 34 Abs. 2 EStG in Betracht. Klassische Beispiele sind z.B. die Auszahlung einer Prämie bei Firmenjubiläen, die geballte Auszahlung von Überstunden oder Bonuszahlungen für eine Tätigkeit über mehrere Veranlagungszeiträume. Dagegen reicht eine nachträgliche Auszahlung des Arbeitslohns für eine begünstigte Besteuerung nicht aus.
BFH, Urt. v. 16.12.2021 - VI R 10/18
Quelle: Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)