Wann ist die Abgeltungsteuer bei Darlehen von nahestehenden Personen anwendbar? Welcher Steuersatz gilt, wenn der Ehepartner des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft das Darlehen an das Unternehmen gewährt? Der BFH hat entschieden, dass dann der Abgeltungsteuersatz für Zinseinkünfte nicht ausgeschlossen ist. Insoweit lehnte der BFH einen Rückgriff auf den Ausschlusstatbestand in § 32d EStG ab.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem Urteil vom 16.06.2020 (VIII R 5/17) entschieden, dass § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b EStG nicht anzuwenden sind, wenn der Ehegatte der Alleingesellschafterin Zinseinkünfte aus einem mit der Kapitalgesellschaft geschlossenen Darlehensvertrag erhält.
Sachlage im Streitfall
Klägerin und Kläger waren ein Ehepaar. Die Ehefrau war Alleingesellschafterin einer GmbH, bei welcher der Ehemann als Geschäftsführer tätig war. Dieser gewährte der GmbH mehrere Darlehensverträge zu Zinssätzen von 7,8 % und 5,646 %.
Das Finanzamt (FA) versteuerte die Zinseinkünfte aus den Darlehen gem. § 32a Abs. 1 EStG zu dem persönlichen Steuersatz, da gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG dieser eine nahestehende Person der GmbH war.
Hiergegen wenden sich die Ehegatten mit ihrer Klage. Das Finanzgericht (FG) sah anders als das FA jedoch keinen Fall gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG. Der Darlehensgeber stellt eine nahestehende Person i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG dar, wonach ebenfalls eine Versteuerung nach dem persönlichen Einkommensteuertarif vorzunehmen ist.
Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Revision statt.
Anwendung des persönlichen Steuersatzes bei Kapitalerträgen
Zinseinkünfte werden i.d.R. gem. § 32d Abs. 1 EStG mit dem gesonderten Abgeltungsteuertarif von grundsätzlich 25 % besteuert. Gemäß § 32d Abs. 2 EStG werden jedoch einige Ausnahmen definiert, in denen statt des Abgeltungsteuersatzes der persönliche Einkommensteuertarif anzuwenden ist.
Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG wird der persönliche Steuersatz in den Fällen angewandt, in denen der Schuldner der Kapitalerträge diese selbst als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend machen kann und sowohl Schuldner als auch Gläubiger nahestehende Personen sind. Der Begriff nahestehende Person wird dabei aus § 15 AO und § 1 Abs. 2 AStG hergeleitet.
Die Vorschrift gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG schließt dabei die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes für Zinseinkünfte aus einem Darlehen zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem Anteilseigner aus. Gemäß Satz 2 der Vorschrift ist auch die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes für dem Anteilseigner nahestehende Personen ausgeschlossen.
Der BFH kam in diesem Fall zu der Ansicht, dass allein aus der Ehegatteneigenschaft kein ausreichendes Näheverhältnis für die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG vorliegt.
Ein Rückgriff auf den Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht, da diese Vorschrift nicht für Darlehen zwischen einer nahestehenden Person des Anteilseigners und der Kapitalgesellschaft anzuwenden ist.
Praxishinweis
Der BFH hat mit diesem Urteil bekräftigt, dass nicht automatisch ein Näheverhältnis zwischen Ehegatten angenommen werden kann. Für Steuerberater und Steuerpflichtige ist dies interessant, da dies in einer Vielzahl von Konstellationen bei Ehegatten angewendet werden kann, wenn einer der Ehepartner Anteilseigner an einer Kapitalgesellschaft ist. Dabei sollte jedoch stets beachtet werden, dass die Konditionen der Vereinbarungen – wie im Streitfall – grundsätzlich fremdüblich sein sollten.
BFH, Urt. v. 16.06.2020 – VIII R 5/17
Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater und Diplom-Finanzwirt (FH)