Inwieweit werden die Regeln für Überentnahmen auf Einnahmenüberschussrechner (EÜR) angewendet? Nach dem BFH ist auch bei dieser Art der Gewinnermittlung periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen. Überentnahmen werden bei EÜR nicht auf die Höhe eines vereinfacht ermittelten, niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals begrenzt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17.05.2022 (VIII R 38/18) entschieden, dass Steuerpflichtige, die ihren Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, unter sinngemäßer Anwendung von § 4 Abs. 4a Satz 2 und Satz 3 EStG periodenübergreifend überprüfen müssen, ob Überentnahmen vorliegen.
Diese sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger war in den Streitjahren als Architekt tätig und erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 18 EStG. Die Ermittlung des Gewinns erfolgte per Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Hierbei machte er diverse Schuldzinsen als Betriebsausgaben geltend. Infolge einer Betriebsprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass in den Vorjahren eine Überentnahme getätigt wurde.
Ausgehend davon ermittelte es die Überentnahmen für die Streitjahre und berechnete nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen wurden anschließend zu den Einkünften nach § 18 EStG addiert.
Der Kläger wandte sich im Einspruchsverfahren gegen diese Feststellungen und machte geltend, dass die Höhe der Überentnahmen auf die Höhe des fiktiv ermittelten Eigenkapitals zu begrenzen sei.
Dieser Einspruch sowie die Klage vor dem Finanzgericht wurden abgewiesen. Auch der BFH sah die Revision des Klägers als unbegründet an und wies die Sache daher zurück.
Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG
Für den Abzug von Schuldzinsen ist grundsätzlich ein zweistufiges Verfahren durchzuführen. Zunächst ist zu prüfen, ob der betreffende Kredit überhaupt betrieblich veranlasst ist, oder ob es sich um eine private Schuld handelt.
In einem nächsten Schritt ist die Abzugsfähigkeit nach § 4 Abs. 4a EStG zu prüfen. Hiernach sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme liegt vor, wenn die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.
Wurden Überentnahmen festgestellt, so werden die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zzgl. der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzgl. der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt.
Davon abzuziehen sind ein Kürzungsbetrag gem. § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG i.H.v. 2.050 € sowie gem. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG die Zinsen, die Darlehen zugeordnet werden können, die direkt für Anschaffungs- und Herstellungskosten aufgewendet wurden.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Diese Grundsätze gelten nach § 4 Abs. 4a Satz 6 EStG auch für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln. Nach Auffassung des BFH sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht nur die Überentnahmen des laufenden Wirtschaftsjahres, sondern auch die der vorangegangenen Jahre in die Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG miteinzubeziehen.
Ebenso sind nach Auffassung des BFH die Überentnahmen nicht auf die Höhe eines vereinfacht ermittelten, niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals zu begrenzen.
Praxishinweis
Steuerpflichtige, die Ihren Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, sollten bei der Aufnahme von betrieblichen Darlehen auch die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG im Blick haben.
Die Aufnahme von Fremdkapital im Rahmen des Betriebs führt zwar auch zu einem entsprechenden Schuldzinsenabzug als Betriebsausgabe, kann jedoch in den Fällen von Überentnahmen auch zu der außerbilanziellen Hinzurechnung mit einem pauschalen Zinssatz von 6 % führen.
Eine Fremdkapitalaufnahme führt somit nicht immer zu ausschließlich positiven steuerlichen Effekten. Daher sollten Steuerpflichtige in derartigen Fällen bei der Planung der Finanzierung ihren Steuerberater konsultieren.
BFH, Urt. v. 17.05.2022 - VIII R 38/18