Wann kann bei Belastung mit Erbschaftsteuer die Steuerermäßigung nach § 35b EStG beansprucht werden? Der BFH hat klargestellt, dass der begrenzte Begünstigungszeitraum mit dem Zeitpunkt beginnt, an dem Erbschaftsteuer entsteht - das ist regelmäßig der Tod des Erblassers. Im Streitfall waren geerbte Unternehmensanteile wegen eines Erbscheinverfahrens erst Jahre nach dem Erbfall veräußert worden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28.11.2023 (X R 20/21) entschieden, dass der Beginn des Begünstigungszeitraums für die Ermäßigung der Einkommensteuer aufgrund der Zahlung von Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers beginnt.
Maßgeblich ist somit der Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer. Der Zeitpunkt, in dem die Erbschafsteuer abgeführt wird, ist nicht für die Steuerermäßigung maßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn erst nach dem Begünstigungszeitraum der tatsächliche Erbe des Nachlasses ermittelt werden kann.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger ist Erbe zweier Beteiligungen an Kommanditgesellschaften. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Erben wurde der Erbschein erst sechs Jahre nach dem Erbfall ausgestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht über den Nachlass verfügen.
Das Finanzamt (FA) setzte im Nachgang die Erbschaftsteuer fest. Anschließend veräußerte der Kläger die gehaltenen Beteiligungen.
In der Einkommensteuererklärung machte er bzgl. der Veräußerung die Steuerermäßigung nach § 35b EStG für die entrichtete Erbschaftsteuer geltend. Das FA gewährte die Ermäßigung jedoch nicht.
Das Finanzgericht (FG) wies die anschließende Klage ab. Die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35b EStG setze voraus, dass bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden seien, die im Veranlagungszeitraum des Todes oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen der Erbschaftsteuer unterlegen hätten.
Da zwischen dem Tod des Erblassers und der Veräußerung jedoch sechs Jahre lagen, könne die Erbschaftsteuer nicht ermäßigend berücksichtigt werden. Auch der BFH sah die Revision des Klägers als unbegründet an und wies diese daher zurück.
Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer gem. § 35b EStG
§ 35b Satz 1 EStG bietet die Möglichkeit, auf Antrag die Einkommensteuer um die Erbschaftsteuer auf die Einkünfte zu ermäßigen, die im Veranlagungszeitraum des Todes oder in den darauffolgenden vier Veranlagungszeiträumen angefallen sind.
Die Einkünfte müssen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Die tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, wird dann um den in § 35b Satz 2 EStG bestimmten Prozentsatz ermäßigt.
Die Höhe der Ermäßigung bestimmt sich in dem Verhältnis der festgesetzten Erbschaftsteuer zu dem steuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 10 Abs. 1 ErbStG ohne die Berücksichtigung von Freibeträgen nach §§ 16 und 17 ErbStG.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Die Ermäßigung ist somit nach § 35b Satz 1 EStG für die Einkünfte vorgesehen, in denen der von Todes wegen hinzuerworbene Vermögensgegenstand zusätzlich zur Einkommensteuer unterworfen wird.
Der maßgebliche Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer für den korrespondierenden Erwerb gem. § 9 ErbStG. Der Kläger hatte noch vorgebracht, dass aus der Überschrift der Vorschrift „Belastung mit Erbschaftsteuer“ hervorgeht, dass der Zahlungszeitpunkt maßgeblich ist.
Nach Auffassung des BFH ist jedoch der Zeitpunkt weder der Klärung der Erbenstellung, der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht über den Nachlass noch der Zahlung der Erbschaftsteuer als maßgeblicher Zeitpunkt anzusehen. Die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf das Erbe ist somit weder für die Erbschaftsteuer noch für die Einkommensteuer von Bedeutung.
Da der Verkauf der Kommanditbeteiligungen nicht innerhalb des Veranlagungszeitraums des Todes oder in den vier darauffolgenden Veranlagungszeiträumen erfolgte, ist die Einkommensteuerermäßigung aufgrund der Belastung mit Erbschaftsteuer nicht zu gewähren.
Praxishinweis
Die Vorschrift § 35b Satz 1 EStG schafft die Möglichkeit, eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer zu vermeiden. In Betracht kommt diese Steuerermäßigung insbesondere bei der Veräußerung von im Rahmen der Erbschaft erworbenen Vermögensgegenständen.
Aber auch bei der Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen oder bei Forderungen, die zum Nachlassvermögen gehörten, jedoch im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erst im Zuflusszeitpunkt zu berücksichtigen sind, ist eine Anwendung der Steuerermäßigung möglich.
BFH, Urt. v. 28.11.2023 - X R 20/21