Wann kann für die Ermittlung der Absetzung für Abnutzung (AfA) von der vertraglichen Kaufpreisaufteilung abgewichen werden? Inwieweit können Finanzamt und Finanzgericht dabei die Arbeitshilfe des BMF verwenden? Nach dem BFH darf eine offenbar unhaltbare vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht mittels Nutzung der BMF-Arbeitshilfe ersetzt werden. Nötig ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 21.07.2020 (IX R 26/19) entschieden, dass der Nachweis einer abweichenden Kaufpreisaufteilung in einem Verfahren vor einem Finanzgericht (FG) nicht anhand der Arbeitshilfe des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) erbracht werden kann, sondern ein Gutachten zu beauftragen ist.
Sachlage im Streitfall
Die Steuerpflichtige, eine Grundstücksgemeinschaft, erwarb eine Eigentumswohnung mitsamt einem Miteigentumsanteil an dem Gemeinschaftsgrundstück sowie einem Sondernutzungsrecht an einem Garagenstellplatz und einem Kellerraum.
Der Kaufpreis wurde für die Zwecke der Ermittlung der Abschreibung für Abnutzung anhand des im Kaufvertrag vorgegebenen Maßstabs auf Grund und Boden und Gebäude aufgeteilt.
Das Finanzamt (FA) korrigierte diese Aufteilung anhand der vom BMF zur Verfügung gestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ und setzte statt einem Gebäudeanteil von 81,81 % einen Gebäudeanteil von 30,09 % an.
In der vor dem FG erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der im Kaufvertrag vorgenommenen Kaufpreisaufteilung zu folgen sei.
Die Klage wurde jedoch als unbegründet zurückgewiesen, da die vertragliche vorgenommene Kaufpreisaufteilung im Streitfall nicht die realen Wertverhältnisse widerspiegelt. Das FG folgte daher der Kaufpreisaufteilung, welche anhand der Arbeitshilfe des BMF vorgenommen wurde.
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies den Fall für weitere Ermittlungen an das FG zurück.
Kaufpreisaufteilung anhand der Arbeitshilfe des BMF
Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Kaufpreisaufteilung anhand der im Kaufvertrag vereinbarten Verhältnisse vorzunehmen (BFH, BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397; Urt. v. 01.04.2009 - IX R 35/08, BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663; Urt. v. 18.01.2006 - IX R 34/05, BFH/NV 2006, 1634).
Gibt es jedoch Anhaltspunkte dafür, dass eine Kaufpreisaufteilung nur zum Schein vorgenommen worden ist oder ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vorliegt, ist der vertraglich vorgenommenen Kaufpreisaufteilung nicht zu folgen (BFH, Beschl. v. 04.12.2008 - IX B 149/08, BFH/NV 2009, 365; BFH, BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663). Diese abweichende Aufteilung wurde vom FA und vom FG im Streitfall anhand der Arbeitshilfe des BMF vorgenommen.
Nach der Auffassung des BFH gewährleiste die Arbeitshilfe jedoch nicht, dass eine Aufteilung anhand der tatsächlichen Wertverhältnisse vorgenommen wurde.
Die Arbeitshilfe verengt die Bewertung auf das vereinfachte Sachwertverfahren und lässt eine Bewertung nach dem Vergleichs- oder Ertragswertverfahren nicht zu. Zudem fehlt in der Arbeitshilfe ein Orts- oder Regionalisierungsfaktor, welcher die abweichenden Verhältnisse z.B. auf dem Land und in Großstädten widerspiegelt.
Das FG ist zudem nicht an die Bewertung nach der Arbeitshilfe gebunden. Es handelt sich insoweit nur um einen Tatsachenvortrag des FA. Der BFH verwies die Rechtssache daher an das FG, damit dieses zur Ermittlung des Gebäudewerts ein Gutachten einholen könne.
Praxishinweis
Dieses von vielen wohl bereits seit langem erwartete Urteil dürfte seitens der Finanzverwaltung eine Überarbeitung der Arbeitshilfe des BMF erfordern. Die regelmäßig geforderte und von der Finanzverwaltung als bindend angesehene Aufteilung anhand der Arbeitshilfe wird stets im Erstjahr bei der Vermietung eines neuen Objekts oder bei der Nutzung eines Arbeitszimmers verlangt.
Den von vielen gesehene Kritikpunkt, dass die Arbeitshilfe keine regionalen Faktoren - besonders in Großstädten - berücksichtigt, bestätigt auch der BFH. Sollte auch eine überarbeitete Arbeitshilfe mit ggf. mehreren Wertermittlungsverfahren die Verhältnisse offensichtlich falsch widerspiegeln, besteht stets die Möglichkeit, durch Sachverständigengutachten die tatsächliche Kaufpreisaufteilung nachzuweisen.
Die Bescheide sollten zunächst bis zu der Veröffentlichung einer neuen Arbeitshilfe offengehalten werden, um ggf. nach dieser die Aufteilung vorzunehmen. Die Aufteilung kann jedoch auch nochmals erneuert werden, wenn es sich nicht um eine Vermietung im Erstjahr, sondern um ein bereits seit längerem vermietetes Gebäude handelt.
BFH, Urt. v. 21.07.2020 - IX R 26/19
Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater und Diplom-Finanzwirt (FH)