Inwieweit sind sog. Stückzinsen steuerpflichtig? Stückzinsen sind ein Entgelt, das bei der Veräußerung von Kapitalforderungen anfällt. Der BFH hat entschieden, dass nach Einführung der Abgeltungsteuer Stückzinsen als Teil des Gewinns aus der Veräußerung einer sonstigen Kapitalforderung grundsätzlich steuerpflichtig sind. Das gilt auch, wenn die veräußerte Kapitalforderung vor 2009 erworben wurde.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit gleich zwei Urteilen vom 11.12.2018 entschieden, dass Stückzinsen nach Einführung der Abgeltungsteuer ab dem Veranlagungszeitraum 2009 als Teil des Gewinns aus der Veräußerung einer sonstigen Kapitalforderung steuerpflichtig sind. Dies gilt selbst dann, wenn die veräußerte Kapitalforderung vor dem 01.01.2009 erworben wurde.
Vor diesem Hintergrund führte der BFH aus, dass die diesbezügliche Übergangsregelung i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 nicht zu einer echten Rückwirkung hinsichtlich der Besteuerung von Stückzinsen für den Veranlagungszeitraum 2009 führt, da sie lediglich eine klarstellende Wirkung hat.
Sachlage im Streitfall
In einem vom BFH entschiedenen Fall (VIII R 31/15) vereinnahmte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Jahr 2009 bei der Veräußerung einer Kapitalforderung offen ausgewiesene Stückzinsen.
Diese Kapitalforderung hatte die GbR vor dem 01.01.2009 erworben und war daher der Auffassung, die Stückzinsen seien aufgrund der damals geltenden Übergangsregelung in § 52a Abs. 10 Satz 7 erster Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2009 (v. 19.12.2008) nicht steuerbar.
Die später eingeführte Regelung in § 52a Abs. 10 Satz 7 zweiter Halbsatz EStG besagt, dass Stückzinsen, die nach dem 31.12.2008 zufließen, der Besteuerung unterliegen. Dies sei eine verfassungswidrige echte Rückwirkung.
Auch der zweite vom BFH entschiedene Fall (VIII R 22/15) behandelt die Steuerpflicht von Stückzinsen, die vor der Einführung des § 52a Abs. 10 Satz 7 zweiter Halbsatz EStG durch das JStG 2010 vereinnahmt worden waren. Die Vereinnahmung der Stückzinsen erfolgte dabei jedoch im Jahr 2010.
In beiden Fällen hat der BFH entschieden, dass die Neuregelung keine verfassungswidrige rückwirkende Regelung ist, sondern eine verfassungsgemäße Vorschrift, welche lediglich die bestehende Rechtslage klarstellt.
Besteuerung von Stückzinsen
Stückzinsen sind das vom Erwerber an den Veräußerer der Kapitalforderung gezahlte Entgelt für die auf den Zeitraum bis zur Veräußerung entfallenden Zinsen des laufenden Zinszahlungszeitraums. Sie sind als Teil des Gewinns aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerbar.
Diese Vorschrift ist gem. § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG für alle nach dem 31.12.2008 zufließenden Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anwendbar, also auch für ab dem 01.01.2009 zugeflossene Stückzinsen.
Nach der im Rahmen des JStG 2010 eingeführten Übergangsvorschrift erfolgte die Besteuerung der Stückzinsen auch dann, wenn die veräußerte Forderung vor dem 01.01.2009 erworben wurde. Dies entspreche laut BFH dem Willen des Gesetzgebers, die Regelung auf sämtliche Kapitalerträge anzuwenden, welche dem Gläubiger nach dem 31.12.2008 zufließen.
Diese Klarstellung im Rahmen des JStG 2010 führte somit nicht zu einer rückwirkenden Änderung, sondern hatte nur eine deklaratorische Bedeutung. Demensprechend führt sie nicht zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung.
Stückzinsen wurden vor und nach der Einführung der Abgeltungsteuer vom Tatbestand des § 20 EStG erfasst. Der Systemwechsel durch die Einführung der Abgeltungsteuer führte danach nicht zu einer Änderung des Besteuerungsregimes für Stückzinsen als Kapitaleinkünfte.
Der BFH stellt zudem klar, dass hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns, der bei der Veräußerung der Kapitalforderung erzielt werde, etwas anderes gelte. Denn im Zuge der Einführung einer Abgeltungsteuer sollte lediglich sichergestellt werden, dass bis zum 01.01.2009 steuerfreie Kursgewinne für vor dem 01.01.2009 erworbene Kapitalforderungen auch weiterhin steuerfrei bleiben.
Dies gilt jedoch nicht für Stückzinsen, die stets, d.h. sowohl vor als auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer, steuerpflichtig waren.
Praxishinweis
Der BFH hat gleich mit zwei inhaltsgleichen Entscheidungen klargestellt, dass Stückzinsen stets der Abgeltungsteuer unterliegen. Dies gilt auch, wenn die Wertpapiere vor Einführung der Abgeltungsteuer erworben wurden. Diese Rechtsprechung sollte insbesondere von Steuerpflichtigen beachtet werden, welche Einkünfte aus Kapitalvermögen nacherklären. Denn dort ist entscheidend, dass die Stückzinsen stets der Abgeltungsteuer unterliegen und nicht steuerfrei vereinnahmt werden können.
BFH, Urt. v. 07.05.2019 - VIII R 22/15
BFH, Urt. v. 07.05.2019 - VIII R 31/15
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper