Wann besteht im Rahmen einer Erstausbildung der Anspruch auf Kindergeld? Und wann ist von einer Zweitausbildung auszugehen, die den Anspruch ausschließt? Fraglich ist dies z.B. bei berufsaufbauenden Studiengängen. Der BFH hat zuletzt entschieden: Ein Studium, das eine Berufstätigkeit voraussetzt, ist im Anschluss an eine kaufmännische Ausbildung nicht mehr Teil einer einheitlichen Erstausbildung.
Grundsätzlich besteht für Kinder zwischen Vollendung des 18. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres ein Anspruch auf Kindergeld, sofern die Kinder für einen Beruf ausgebildet werden und die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes erfüllt sind.
Im konkreten Fall des vom BFH am 01.06.2016 veröffentlichten Urteils klagte ein Vater, da die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für seine Tochter aufhob. Die Tochter des Klägers hatte nach einer Ausbildung zur Kauffrau und mehreren Monaten beruflicher Tätigkeit ein weiterqualifizierendes Studium zur Betriebswirtin begonnen und arbeitete parallel dazu weiterhin 30 Stunden in der Woche. Das Studium sah unter anderem eine einjährige Berufserfahrung als Zulassungsvoraussetzung vor, die Tochter wurde aber ausnahmsweise trotz kürzerer Berufserfahrung vorläufig immatrikuliert. Der BFH ging in seinem Urteil nicht mehr von einer einheitlichen Erstausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aus. Ferner führte der BFH aus, eine Tätigkeit im Umfang von mehr als 20 Wochenstunden sei nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung ebenfalls kindergeldschädlich. Folglich verwarf der BFH die Revision des Klägers.
Voraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder
Das BMF konkretisierte mit Schreiben vom 08.02.2016, unter welchen Voraussetzungen volljährige Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich sind ab 2012 alle Kinder bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums zu berücksichtigen – die Höhe der Einkünfte der Kinder ist dabei unbeachtlich.
Nach Abschluss einer Erstausbildung oder eines Erststudiums sind Kinder nur zu berücksichtigen, sofern sie keiner Erwerbstätigkeit bzw. einer Erwerbstätigkeit mit maximal 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nachgehen. Ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ist dabei unschädlich.
Erstmalige Berufsausbildung oder Erststudium
Die „Berufsausbildung“ gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nach Ansicht des BMF eng zu verstehen, und es wird darauf abgestellt, ob das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen.
Gleichermaßen liegt ein Studium i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dann vor, wenn es sich um eine Ausbildung an einer Hochschule i.S.d. Hochschulgesetze der Länder handelt – dieses können Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachhochschulen und sonstige Einrichtungen des Bildungswesens oder gleichgestellte Bildungseinrichtungen sein, die nach dem jeweiligen Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Um ein Erststudium i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG handelt es sich jedoch nur dann, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt – also kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium bzw. keine andere abgeschlossene nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen ist.
Steuerschädliche Zweitausbildung
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums, welches das Kind zur Aufnahme eines Berufs befähigt, nimmt der BMF grundsätzlich eine steuerschädliche Zweitausbildung an. Wird beispielsweise nach mehrjähriger Berufstätigkeit nach einer Gesellenprüfung eine Meisterausbildung angefangen oder nach mehrjähriger Berufstätigkeit ein Masterstudium aufgenommen, liegt eine schädliche Zweitausbildung vor. Falls jedoch beim Vorliegen objektiver Beweisanzeichen erkennbar ist, dass das vom Kind angestrebte Berufsziel noch nicht erreicht wurde, ist für die Beurteilung der weiterführenden Ausbildung entscheidend, ob ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der nichtakademischen Ausbildung oder dem Erststudium besteht.
Ein Masterstudium im Anschluss an einen Bachelorabschluss ist nach diesen Grundsätzen nur dann als Teil der Erstausbildung anzusehen, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist.
Praxishinweis
Die aktuelle Rechtsprechung des BFH konkretisiert die Voraussetzungen für die Anerkennung des weiteren Ausbildungsabschnitts als Erstausbildung. Im konkreten Fall war eine Voraussetzung für das Studium, dass der Bewerber bereits Berufserfahrung gesammelt haben muss. Dies verhindert die Qualifizierung des Studiengangs als Erstausbildung/-studium.
Bei der Gesamtplanung von Ausbildung oder Studium sollte darauf geachtet werden, keine zu große zeitliche Zäsur zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten entstehen zu lassen. Ebenso wenig sollte einer weiterführenden Ausbildung bzw. einem weiterführenden Studium keine längere Berufstätigkeit vorangehen. Sollte diese jedoch eine Zugangsvoraussetzung für den Studienbeginn sein, wird es – sowohl gegenüber dem Finanzamt als auch vor dem BFH – schwer werden, das Studium als Teil einer mehraktigen Erstausbildung darzustellen.
BFH, Urt. v. 04.02.2016 - III R 14/15
BMF, Schreiben v. 08.02.2016 - IV C 4 - S-2282/07/0001-01, BStBl 2016 I 226
Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper