Ist nach einer Ausbildung zur Steuerfachangestellten der Kindergeldanspruch ausgeschlossen, wenn noch das Berufsziel eines Steuerfachwirts angestrebt wird? Das Finanzgericht Niedersachsen hat entschieden, dass dann eine Fortbildung zum Steuerfachwirt als Zweitausbildung gilt. Damit kommt es für einen Anspruch darauf an, ob eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden wöchentlich ausgeübt wird.
Mit Urteil vom 17.10.2017 hat das Finanzgericht Niedersachsen (FG) entschieden, dass die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten und die Fortbildung zum Steuerfachwirt nicht notwendigerweise eine Ausbildungseinheit darstellen, so dass bei einer Tätigkeit von mehr als 20 Stunden pro Woche kein Anspruch auf Kindergeld besteht.
Im aktuellen Fall begehrte ein Steuerpflichtiger von der Familienkasse weiterhin Kindergeld für seine Tochter, die bereits die Ausbildung zur Steuerfachangestellten erfolgreich absolviert hatte, da diese das Berufsziel Steuerfachwirtin anstrebe und die Ausbildung somit noch nicht abgeschlossen sei. Dies lehnte die zuständige Familienkasse ab, da unter einer Ausbildung im kindergeldrechtlichen Sinne nur eine erstmalige Berufsausbildung zu verstehen sei und es sich bei der Ausbildung zur Steuerfachwirtin um eine Zweitausbildung handele – vergleichbar der Meisterprüfung im Anschluss an die Ausbildung in Handwerksberufen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das FG die zulässige Klage des Steuerpflichtigen als unbegründet ab. Dabei ließ das FG die Revision wegen weiterer anhängiger Verfahren zu.
Kindergeld bei volljährigen Kindern
Grundsätzlich sind alle Kinder bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums beim Kindergeld zu berücksichtigen, wobei die Höhe der Einkünfte der Kinder unbeachtlich ist. Dabei wird der Begriff „Berufsausbildung“ in der Rechtsprechung und Verwaltung eng gefasst: Entscheidend ist, ob das Kind durch die fragliche berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen.
Integrierte Ausbildung
Bei einer integrierten Ausbildung ist eine erstmalige Berufsausbildung nicht zwangsläufig bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss beendet. Liegt eine sogenannte mehraktige Ausbildung vor, bei der der erste Berufsabschluss lediglich integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs ist, so ist diese insgesamt als einheitliche Erstausbildung zu qualifizieren.
Dies setzt jedoch voraus, dass die Ausbildung inhaltlich und zeitlich so aufgebaut ist, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das von Eltern und Kind gemeinsam bestimmte Berufsziel erst mit dem weiterführenden Abschluss erreicht wird.
Dies gilt auch, wenn vor dem zweiten Ausbildungsabschnitt eine praktische Tätigkeit benötigt wird. Liegt noch keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung vor, so ist es für den Kindergeldanspruch nicht entscheidend, ob das Kind erwerbstätig ist oder nicht.
Ausbildung zum Steuerfach-/Betriebswirt
Entscheidend für den Kindergeldanspruch bei der Fortbildung zum Steuerfachwirt ist somit die Frage, ob die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten und die Berufsfortbildung zum Steuerfachwirt eine Ausbildungseinheit darstellen. Die Zulassung zur Fortbildungsprüfung zum Steuerfachwirt setzt nach Ansicht des FG eine berufspraktische Erfahrung als Steuerfachangestellter von wenigstens drei Jahren voraus. Diese vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt, weshalb der notwendige enge Zusammenhang nicht mehr gegeben ist.
Nach denselben Maßstäben hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein berufsbegleitendes Studium zum Betriebswirt an der Verwaltungsakademie bewertet. Dieses setzt in ähnlicher Weise eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraus, so dass es nicht mehr als Erstausbildung i.S.d. § 32 EStG angesehen wird. Ein solches berufsbegleitendes Studium ist nach Ansicht des BFH auch nicht integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung, so dass für die Fortbildung zum Steuerfachwirt nichts anders gelten kann.
Praxishinweis
Das FG hat mit diesem Urteil entschieden, dass die Fortbildung zum Steuerfachwirt grundsätzlich als Zweitausbildung zu werten ist. Für den Kindergeldanspruch ist somit entscheidend, ob das Kind eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden pro Woche ausübt oder nicht. Nur bei einer Erstausbildung ist unbeachtlich, wie viel das Kind arbeitet. Der BFH hat zudem schon mehrfach klargestellt, dass ein erster berufsqualifizierender Abschluss zwangsläufig auch den Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung i.S.d. Kindergeldrechts darstellt.
Entscheidend ist also das Berufsziel des Kinds. Steuerpflichtige sollten bei der Planung der Berufsausbildung des Kinds darauf achten, dass die jeweiligen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, und diesen auch gut nachvollziehbar dokumentieren. Betroffene Steuerpflichtige können unter Bezugnahme auf das Revisionsverfahren ein Ruhen des Verfahrens beantragen.
FG Niedersachsen, Urt. v. 17.10.2017 - 13 K 76/17
Quelle: Dipl.-Volkswirt und Steuerberater Volker Küpper