Wann können Prozesskosten im Zusammenhang mit einer Ehescheidung als außergewöhnliche Belastungen (agB) geltend gemacht werden? Und können im Rahmen der agB in einem Jahr abgeflossene Kosten auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt werden? Zwei BFH-Urteile verdeutlichen für diese beiden Fallgruppen die hohen Hürden bzw. geringen Erfolgsaussichten, entsprechende Steuerabzüge durchzusetzen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei aktuellen Entscheidungen zum Abzug von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen Stellung genommen. In der einen Entscheidung ging es darum, ob die Kosten für einen Scheidungsprozess als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Im zweiten Streitfall hatte ein Ehepaar sein Eigenheim mit erheblichen Kosten behindertengerecht umgebaut. Die Kosten waren dabei höher als der Gesamtbetrag der Einkünfte und sollten nach dem – auf § 163 AO gestützten – Antrag des Ehepaars auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt werden. Der BFH folgte diesem Ansinnen jedoch nicht.
Prozesskosten für eine Scheidung als außergewöhnliche Belastungen
Grundsätzlich können auch die Kosten eines Scheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen erfasst werden, denn es handelt sich dabei um Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits. Als Rechtsstreit erfasst werden nicht nur Zivilprozesse, sondern alle gerichtlichen Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten. Für den BFH ist nicht ersichtlich, dass sich dies nach der Neufassung des § 33 EStG mit Wirkung ab 2014 geändert hat.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten nur dann nicht, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können. Als Existenzgrundlage ist hier die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen.
Kosten für ein Scheidungsverfahren sind daher regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstellt. Denn ein Ehegatte erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig eben nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. So beurteilte der BFH auch die Sachlage im aktuellen Fall.
Abzug außergewöhnlicher Belastungen in mehreren Veranlagungszeiträumen
Im zweiten Besprechungsfall waren die Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen im Jahr ihrer Zahlung abzuziehen. Streitig war lediglich, ob darüber hinaus auch ein Abzug in den Folgejahren möglich ist, weil die Kosten im Jahr der Zahlung höher als der Gesamtbetrag der Einkünfte waren. Dies verneinte der BFH.
Zur Begründung führt er aus, dass § 11 Abs. 2 EStG auch auf außergewöhnliche Belastungen anwendbar ist.
Diese sind danach grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem die entsprechenden Zahlungen geleistet wurden – unabhängig davon, ob Letztere aus eigenen oder fremden Mitteln bestritten werden. Auch fremdfinanzierte Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind, können nur im Jahr des tatsächlichen Abflusses, also der Verwendung der Darlehensmittel, berücksichtigt werden.
Wirken sich außergewöhnliche Belastungen mangels eines hinreichenden Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus, sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den restlichen Betrag in einen anderen Veranlagungszeitraum zu übertragen oder ähnlich der Regelung in § 82b EStDV auf mehrere Veranlagungszeiträume zu verteilen. Ein Verlustabzug gem. § 10d EStG gilt nur für Einkünfte, nicht aber für außergewöhnliche Belastungen oder Sonderausgaben. Ebenso fehlt eine § 7 EStG oder § 82b EStDV vergleichbare Regelung in § 33 EStG. Eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung von § 7 EStG, § 82b EStDV oder § 10d EStG nahelegen würde, liegt nicht vor.
Aus der gesetzlichen Reihenfolge, wonach negative Einkünfte vorrangig vor den Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum rückgetragen werden, lässt sich im Gegenteil im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut in § 33 EStG der Grundsatz ableiten, dass derjenige, der keine positiven Einkünfte erzielt, auch keine privaten Aufwendungen abziehen kann, und zwar sowohl intra- als auch interperiodisch.
Im Streitfall wirkte sich nicht der gesamte Betrag aus, der für den Umbau des Hauses aufgewendet wurde, weil den Ausgaben im Jahr ihrer Zahlung ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte gegenüberstand. Dies ist Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für das in § 11 Abs. 2 EStG normierte Abflussprinzip i.V.m. dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sowie dem Umstand, dass das Einkommensteuergesetz eine Regel für die Verteilung in andere Veranlagungszeiträume in einem solchen Fall nicht vorsieht.
Ein Ergebnis, das den gesetzlichen Wertungen widerspricht, ist darin aus Sicht des BFH nicht zu erblicken. Daher scheidet laut BFH auch eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO aus, die die Einzelfallgerechtigkeit herstellen soll, wenn die Gesetzeslage ausnahmsweise den gesetzlichen Wertungen widerspricht.
Praxishinweis
Der BFH hat mit diesen beiden Entscheidungen die Grundsätze für den Abzug außergewöhnlicher Belastungen weiter konkretisiert. Der Abzug von Scheidungskosten dürfte damit künftig grundsätzlich nicht mehr in Frage kommen, dies ist nur noch bei einer Existenzgefährdung und damit in Ausnahmefällen möglich. Ebenso hat der BFH geklärt, dass eine Verteilung von gezahlten außergewöhnlichen Belastungen auf mehrere Veranlagungszeiträume am Abflussprinzip scheitert. Steuerberater sollten ihren Mandanten daher künftig raten, die Zahlung möglichst auf verschiedene Veranlagungszeiträume zu verteilen, um einen Abzug zu erreichen, falls die Auftragnehmer dies zulassen. Insoweit herrscht nun Klarheit.
BFH, Urt. v. 12.07.2017 - VI R 36/15
BFH, Urt. v. 18.05.2017 - VI R 9/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht