Wann können bei Umstrukturierungen die Grundsätze der Realteilung für eine steuerneutrale Buchwertfortführung angewendet werden? Der BFH hat entschieden, dass eine Realteilung auch dann vorliegen kann, wenn bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft weiterbesteht. Außerdem haben die BFH-Richter geklärt, welche Folgen eine verbindliche Zusage des Finanzamts bei mehreren Beteiligten hat.
Der BFH entschied zu den steuerlichen Folgen des Ausscheidens eines Partners aus einer Freiberuflersozietät. Der Ausscheidende bekam als Gegenleistung für sein Ausscheiden eine Niederlassung der Sozietät. Diese Niederlassung lag in einer anderen Stadt und war bereits zuvor vom ausscheidenden Partner geleitet worden. Die Hauptniederlassung wurde von den verbleibenden Partnern unter dem bisherigen Namen fortgeführt. Neben der Niederlassung erhielt der ausscheidende Partner zudem zeitlich befristet eine monatliche Rente.
Dazu hatte die Sozietät im Vorfeld eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt eingeholt. Nach dieser Zusage könne der Partner grundsätzlich nach Realteilungsgrundsätzen i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG zu Buchwerten aus der Sozietät ausscheiden. Eine gleichzeitig gewährte Rente führe bei ihm zu einem Veräußerungsgewinn und bei den zurückbleibenden Gesellschaftern zu zusätzlichen Anschaffungskosten. Der Ausscheidende könne im Hinblick auf die gewährte Rente das ertragsteuerliche Wahlrecht zwischen der Sofort- und der Zuflussbesteuerung ausüben.
Anschließend schied der Partner in der vorgesehenen Weise aus, allerdings erklärte die Sozietät ein Aufgabeergebnis, das nicht nur die Rente als Gewinn auswies, sondern das Kapitalkonto des Ausscheidenden berücksichtigte. Daraufhin ging das Finanzamt von einem Übergangsgewinn aus und ermittelte den Gewinn abweichend von der Erklärung. Der BFH folgte dem teilweise.
Anwendung der Realteilungsgrundsätze
Die Auflösung einer Gesellschaft stellt eine Betriebsaufgabe dar und führt bei den Gesellschaftern grundsätzlich zu einer Gewinnrealisation. Dies gilt allerdings nicht bei einer sog. Realteilung. Bei dieser kommt es zu einer steuerneutralen Buchwertfortführung. Eine Realteilung verlangte bisher, dass die Gesellschafter das Betriebsvermögen der Gesellschaft unter sich aufteilen, die Gesellschaft damit beenden und die jeweils übernommenen Wirtschaftsgüter anschließend im eigenen Betrieb als Betriebsvermögen weiternutzen.
Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH nun auf das Erfordernis der Betriebsbeendigung der ursprünglichen Mitunternehmerschaft verzichtet. Er sieht den Sinn und Zweck der Realteilung darin, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen steuerneutral gestalten zu können, falls die Besteuerung stiller Reserven sichergestellt ist. Diese Interessenlage ist aber nicht nur bei der Auflösung einer Gesellschaft, sondern auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters unter Fortführung der bisherigen Mitunternehmerschaft gegeben. Trotzdem ging der BFH im Entscheidungsfall – wie auch das Finanzamt in der verbindlichen Auskunft – von einem Veräußerungsgewinn aus, weil neben dem Teilbetrieb noch eine Rente gewährt worden war, die keinen bloßen Versorgungscharakter hatte.
Ermittlung des Veräußerungsgewinns
Im Gegensatz zur verbindlichen Auskunft ermittelte der BFH den Veräußerungsgewinn aber aus der Differenz des Barwerts der Rente zzgl. der Buchwerte des übernommenen Teilbetriebs und des Kapitalkontos des ausscheidenden Partners, korrigiert um anteilige Veräußerungskosten. Der BFH verweist insoweit darauf, dass die Sozietät beim Ausscheiden des Partners von der Einnahmenüberschussrechnung zwangsläufig zur Gewinnermittlung durch Bilanzierung übergehen musste. Dies hatte die Sozietät auch getan. Insoweit half dem ausscheidenden Partner auch nicht die erteilte verbindliche Auskunft.
Nachdem die Gesellschaft einen über dem Kapitalwert der Rente liegenden Veräußerungsgewinn erklärte, hat sie sich damit selbst von der Zusage gelöst, nach der nur die Rente zu einem Veräußerungsgewinn führen sollte. Betrifft wie im vorliegenden Fall eine vor Einführung des § 89 Abs. 2 AO erteilte Zusage eine gesonderte und einheitliche Feststellung, können sich die Feststellungsbeteiligten grundsätzlich nur einheitlich hierauf berufen. Dies ist aber nicht mehr möglich, weil die Sozietät sich von der Zusage gelöst hat, indem sie einen über der Rente liegenden Veräußerungsgewinn erklärte. Die Sozietät muss sich nicht an der Zusage festhalten lassen. Die Bindungswirkung der Zusage gilt nur zugunsten, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Da das Finanzgericht von anderen Grundsätzen ausgegangen war, hob der BFH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Finanzgericht.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH wirkt auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär, hat es aber in sich: Die Realteilungsgrundsätze können künftig auch angewandt werden, wenn die bisherige Gesellschaft weiterbesteht und lediglich ein Gesellschafter ausscheidet. Dies ist sicherlich positiv. Insoweit bleibt aber abzuwarten, wie der BFH mögliche Abgrenzungsfragen zu anderen Tatbeständen vornimmt, die die Übertragung von betrieblichen Einheiten regelt. Insbesondere gilt dies für § 24 UmwStG, der neben einer steuerneutralen Übertragung jedoch auch ein Wahlrecht zur Versteuerung der stillen Reserven vorsieht. Zunächst bleibt aber festzuhalten, dass der BFH eine für den Steuerpflichtigen günstige Ausweitung der Realteilung vorgenommen hat. Allein deswegen ist das Urteil zu begrüßen. Unternehmer und deren Berater sollten diese Rechtsprechungsänderung bei künftigen Umstrukturierungen beachten.
BFH, Urt. v. 17.09.2015 - III R 49/13
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz