Wann sind Steuerschulden des Erblassers als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar? Und was gilt bei einer Verpflichtung, das Erbe an einen Dritten weiterzuleiten? Der BFH hat entschieden, dass ein Abzug möglich ist, soweit zum Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung vorlag. Zudem muss die Verbindlichkeit vom Erblasser selbst herrühren und nicht erst durch den Erben begründet worden sein.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 11.07.2019 zur Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten Stellung genommen.
Im ersten Urteil hat der BFH entschieden, dass die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden, welche zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren oder von diesem durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet wurden, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.
Dies gilt jedoch nicht, wenn mit einer Geltendmachung nicht zu rechnen ist. Sollten sich allerdings die Verhältnisse in der Weise ändern, dass mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist, so stellt dieses ein rückwirkendes Ereignis dar und der Erbschaftsteuerbescheid kann gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden.
In der zweiten Entscheidung hat der BFH geurteilt, dass die Verpflichtung, das Erbe an einen Dritten weiterzuleiten, keine vom Erwerb abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 ErbStG darstellt, wenn die Gründe für die Weitergabe in der Sphäre des Erben und nicht der des Erblassers liegen.
Überblick über die BFH-Urteile
Im ersten Fall war ein Erblasser an einer Gesellschaft beteiligt, welche zunächst einen steuerfreien Sanierungsgewinn vereinnahmte. Nach Eintritt der Festsetzungsverjährung des Erbschaftsteuerbescheids wurde jedoch die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns verneint und der entsprechende Einkommensteuerbescheid geändert. Die Erben wurden somit nach Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Erbschaftsteuer wirtschaftlich belastet.
Das zuständige Finanzamt (FA) berücksichtigte die zusätzlichen Nachlassverbindlichkeiten jedoch nicht. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) ließ eine Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu.
Der in der Revision angerufene BFH wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Der BFH betonte, dass es entscheidend sei, ob sich die Verhältnisse nachträglich in einer Weise geändert haben, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist.
Im zweiten Fall wurde ein Pfarrer einer Kirchengemeinde mit notariell beurkundetem Testament zum Alleinerben eingesetzt. Nach Eintritt des Erbfalls zeigte der Pfarrer dem zuständigen Landeskirchenamt seine Erbeinsetzung mit dem Hinweis an, dass er das Erbe für eine Kirchengemeinde annimmt und es dieser vollumfänglich zur Verfügung stellen möchte.
Das Landeskirchenamt genehmigte die Annahme der Erbschaft, woraufhin dieser die angefallene Erbschaft auf die Kirchengemeinde im Wege der Schenkung übertrug. Das zuständige FA setzte daraufhin Erbschaftsteuer fest. Der daraufhin eingelegte Einspruch blieb insoweit ebenso wie die Klage beim FG erfolglos.
Nach der Begründung des FG beruhe die Weiterleitung der Erbschaft an die Kirchengemeinde nicht auf einer Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, da sich eine solche nicht aus dem Testament ergibt. Der BFH bestätigte die Sichtweise des FG und verneinte den Abzug.
Ansatz von Nachlassverbindlichkeiten
Grundsätzlich entsteht die Steuer für einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 sowie § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers.
Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung, also der Betrag, welcher sich ergibt, wenn von dem Wert des gesamten Vermögensanfalls die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem zu ermittelnden Wert gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abgezogen werden.
Zu diesen Nachlassverbindlichkeiten gehören auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die auf den Erben übergegangen sind. Die Abziehbarkeit von Steuerschulden wie auch die Frage, inwiefern diese eine wirtschaftliche Belastung darstellen, hängt dabei nach der Rechtsprechung des BFH nicht davon ab, ob die Steuern beim Erbfall bereits festgesetzt waren oder nicht.
Entscheidend ist, dass die Steuerschulden bereits zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden waren, und dass diese zum Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben.
Eine wirtschaftliche Belastung liegt beispielsweise nicht vor, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse zum Todeszeitpunkt nicht damit gerechnet werden kann, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen wird.
Ändern sich jedoch die Verhältnisse nachträglich in einer Weise, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist, liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, so dass eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids noch möglich ist.
Weitergabe an Dritte
Darüber hinaus sind als Nachlassverbindlichkeiten die in § 10 Abs. 5 ErbStG aufgeführten Schulden und Lasten abzuziehen. Solche sind gemäß:
- § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG: Schulden, welche vom Erblasser herrühren, wobei eine Weitergabeverpflichtung des Erben selbst keine Schuld des Erblassers darstellt;
- § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG: beispielsweise Auflagen, wenn der Erblasser den Erben durch das Testament zu einer Leistung verpflichtet;
- § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG: Kosten, die mit der Erlangung des Erwerbs zusammenhängen.
Abzugsfähige Verbindlichkeiten liegen stets dann vor, wenn diese vom Erblasser herrühren und nicht durch den Erben als solchen begründet wurden.
Praxishinweis
Der BFH hat über zwei für die Praxis relevante Urteile in Bezug auf den Ansatz von Nachlassverbindlichkeiten entschieden. Beim Ansatz von Nachlassverbindlichkeiten ist stets entscheidend, inwieweit diese bereits durch den Erblasser verursacht worden sind, oder ob dies erst später durch den Erben geschah. Im letzteren Fall scheidet ein Abzug aus. Sind Zuwendungen an Religionsgemeinschaften geplant, sollte bei der erbschaftsteuerlichen Planung an die Regelungen für steuerbefreite Zuwendungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG gedacht werden.
BFH, Urt. v. 11.07.2019 - II R 36/16
BFH, Urt. v. 11.07.2019 - II R 4/17
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper