Wann sind Erben von der Steuerhinterziehung des Erblassers oder der Miterben betroffen? Der BFH hat entschieden, dass sich für alle Miterben die Festsetzungsfrist für eine verkürzte Steuer auf zehn Jahre verlängert, auch wenn einzelne Miterben die Steuerhinterziehung weder selbst begangen haben noch von dieser wussten. Für eine Steuerschuld des Erblassers haften Erben als Gesamtschuldner.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 29.08.2017 entschieden, dass es für die Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht darauf ankommt, ob die Steuerhinterziehung selbst begangen oder von dieser gewusst wurde. Die zehnjährige Verjährungsfrist gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, derer er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient. Es ist nicht entscheidend, wer die Steuer hinterzogen hat.
Im aktuellen Fall waren zwei Schwestern Erben ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt und diese nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben.
Aufgrund einer Demenzerkrankung war die Erblasserin nicht in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben, so dass diese mit Hilfe einer der beiden Erbinnen erstellt wurde. Diese Tochter wusste demnach spätestens nach Eintritt des Erbfalls, dass ihre Mutter die Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte.
Nach Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erließ das Finanzamt gegen die andere Tochter als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen die Steuer für die nicht erklärten Einkünfte nachgefordert wurde. Nach erfolglosem Einspruch und nur teilweise erfolgreicher Klage vor dem Finanzgericht wurde die Revision vom BFH als unzulässig bzw. unbegründet zurückgewiesen.
Steuerhinterziehung von Erblassern
Grundsätzlich geht mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Dies gilt ebenfalls für Nachlassverbindlichkeiten, d.h. auch für steuerliche Schulden. Denn bei der Gesamtrechtsnachfolge gehen auch die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Mehrere Erben stehen dabei als Gesamtschuldner ein, wobei jeder Erbe für die ganze Leistung haftet.
Zwar laufen bei einer Gesamtschuldnerschaft die Verjährungsfristen gegenüber jedem Gesamtschuldner getrennt ab. Dies ist jedoch bei Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nicht entscheidend: Da es nicht darauf ankommt, wer die Steuer hinterzogen oder leichtfertig verkürzt hat, muss jeder Gesamtschuldner die Steuerhinterziehung eines anderen Gesamtschuldners gegen sich gelten lassen.
Berichtigungspflichten der Erben
Selbst wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig und die abgegebene Steuererklärung somit unwirksam war, haben die Erben eine Berichtigungspflicht. Diese wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Erben bereits vor Eintritt des Erbfalls Kenntnis von den unrichtigen Steuererklärungen hatten, da für die nachträgliche Kenntnis auf den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen ist.
Die unterlassene Berichtigung nach erkannter Unrichtigkeit der Steuererklärungen führt zu einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung durch Unterlassen. Dies hat zur Folge, dass sich die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer auf zehn Jahre verlängert.
Gleiches gilt auch für Miterben, die weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen haben noch von dieser wussten. Zwar kann sich ein Miterbe grundsätzlich exkulpieren, indem er nachweist, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat. Jedoch erlangt ein (Mit-)Erbe regelmäßig einen Vermögensvorteil, wenn der Erblasser zu wenig Steuern gezahlt hat – denn die zu niedrig festgesetzte Steuerschuld geht ja auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger über.
Jedenfalls gilt dies laut BFH im aktuellen Fall für die klagende Miterbin, weshalb sich auch ihr gegenüber die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre verlängert.
Praxishinweis
Der BFH hat mit diesem Urteil festgestellt, dass sich für alle Miterben die Festsetzungsfrist für eine verkürzte Steuer auf zehn Jahre verlängert, auch wenn einzelne Miterben die Steuerhinterziehung weder selbst begangen haben noch von dieser wussten. Steuerpflichtige sollten sich nach einem Erbfall um eine rasche Klärung der steuerlichen Verhältnisse des Erblassers bemühen, denn auf die nachzuzahlende Steuer werden pro Jahr noch 6 % Zinsen fällig. Vorsorglich können Steuerpflichtige auch eine Vorabzahlung leisten, um den Zinslauf zu stoppen.
BFH, Urt. v. 29.08.2017 - VIII R 32/15
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper