Wann sind erbende Ehepartner beim Erwerb eines Familienheims von der Erbschaftsteuer befreit? Nach einem BFH-Urteil entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend, wenn das Eigentum innerhalb von zehn Jahren auf einen Dritten übertragen wird – und zwar auch dann, wenn die Immobilie aufgrund eines Nießbrauchs weiterhin selbst genutzt wird. Das BMF hat entschieden, dieses Urteil allgemein anzuwenden.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit einem Schreiben vom 09.06.2020 die Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.07.2019 (II R 38/16) bekanntgegeben. Nach diesem Urteil entfällt die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG rückwirkend, wenn das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach der Erbschaft unter Nießbrauchsvorbehalt weiterübertragen wird.
Sachlage im Streitfall
Die Steuerpflichtige erhielt nach dem Tod ihres Ehemannes den hälftigen Miteigentumsanteil des zuvor gemeinsam bewohnten Familienheims. Das Finanzamt (FA) gewährte für diese Erbschaft die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.
Ein Jahr nach der Erbschaft übertrug die Steuerpflichtige unentgeltlich unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs das gesamte Familienheim auf ihre Tochter weiter. Das FA änderte daraufhin den Erbschaftsteuerbescheid, da die schenkweise Übertragung auf die Tochter die Behaltensregel gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG verletzt habe und die Steuerbefreiung damit nicht mehr zu gewähren ist.
Gegen diesen Bescheid wendete sich die Steuerpflichtige, da es nach ihrer Auffassung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG lediglich darauf ankommt, ob die Selbstnutzung und nicht das Eigentum an dem jeweiligen Gegenstand aufgegeben worden ist.
Nach erfolglosem Einspruch wurde die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage vom Finanzgericht abgelehnt. Auch der BFH wies die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurück.
Steuerbefreiung für die Erbschaft eines Familienheims
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist der Erwerb eines Familienheims steuerfrei, wenn der Erblasser bis zu seinem Tod die Immobilie selbstgenutzt hat und der Erbe nach seinem Tod die Selbstnutzung mindestens für zehn Jahre unverzüglich fortführt. Eine Ausnahme besteht davon nur, wenn der Erbe oder der Erblasser an der Selbstnutzung des Familienheims gehindert war.
Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist für die Gewährung der Steuerbefreiung somit nur die Selbstnutzung der Immobilien maßgeblich. Der BFH legt jedoch die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auch dahingehend aus, dass nicht nur die Selbstnutzung für die Gewährung der Steuerbefreiung maßgeblich ist, sondern auch weiterhin die Beibehaltung des Eigentums eine Voraussetzung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b EStG.
Nach Ansicht des BFH wollte der Gesetzgeber durch die Einführung dieser Vorschrift die Selbstnutzung des eigenen Familienheims begünstigen. Eine Weiterübertragung während des Rückwirkungszeitraums unter Nießbrauchsvorbehalt sah der BFH daher als schädlich für die Steuerbegünstigung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4b EStG an.
Praxishinweis
Die enge Auslegung dieser Begünstigungsregelungen vom BFH ist durchaus nachvollziehbar und die Übernahme dieser Auffassung durch das BMF war daher erwartbar. Steuerpflichtige sollten bei ihrer Nachfolgeplanung stets die Behaltensregelungen beachten. Dies gilt dabei auch für die Befreiungsvorschriften gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4c ErbStG, auf die dieses Urteil sinngemäß anzuwenden sein dürfte.
BFH, Urt. v. 11.07.2019 - II R 38/16
Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater, Diplom-Finanzwirt (FH)