Wie werden bei Vermächtnissen Immobilienwerte für die Erbschaftsteuer festgesetzt? Nach dem BFH gilt: Maßgeblich ist der gesondert festzustellende Grundbesitzwert. Eine gesonderte Feststellung allein gegenüber einzelnen oder mehreren Vermächtnisnehmern ist aber nicht vorgesehen. Insoweit ist ein eigenständiger Feststellungsbescheid fehlerhaft, aber nicht unwirksam und kann bestandskräftig werden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 06.05.2021 (II R 34/18) die Grundsätze weiter konkretisiert, in welchen Fällen der Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer gesondert festzustellen ist.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der verstorbene Erblasser hatte den Bruder des klagenden K zu seinem Alleinerben eingesetzt und diesen zugleich zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Für K und dessen beide Schwestern setzte der Erblasser Vermächtnisse aus. Somit sollte u.a. ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen.
Das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer befugte Finanzamt (FA) fragte beim zuständigen FA für verschiedene Grundstücke, darunter auch das durch das Vermächtnis zugewandte Grundstück, nach den Grundbesitzwerten für Erbschaftsteuerzwecke an.
Das FA forderte K auf, eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts für die neben dem im Wege des Vermächtnisses zugewandten Grundstücke auch auf die weiteren zum Nachlass gehörenden Grundstücke abzugeben. Die Erklärung zur Feststellung des Grundstückswerts wurde von K und einer Schwester unterschrieben.
Anschließend entstand Streit darüber, an wen die Feststellungsbescheide bekanntzugeben sind (die Erben oder die Vermächtnisnehmer), und ob die Wertermittlung durch einen zeitnahen Verkauf seitens der Vermächtnisnehmer beeinflusst wird. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage Recht gegeben, der BFH folge dem nicht.
Besteuerung von Erbe und Vermächtnisnehmer nebeneinander
Ein Erbfall kann mehrere Erwerbstatbestände gem. § 3 ErbStG auslösen. Im Fall des Vermächtnisses erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall, der Vermächtnisnehmer hingegen durch Vermächtnis. Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander, allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit.
Erben und Vermächtnisnehmer sind jeweils nur Steuerschuldner für ihren eigenen Erwerb. Bei einem Grundstücksvermächtnis ist für den Erwerb des Erben, für den Wert der beim Erben anzusetzenden Verbindlichkeit wie auch für den Erwerb des Vermächtnisnehmers jeweils derselbe, gesondert festgestellte Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen.
Andernfalls müsste der Wert jeweils eigenständig ermittelt werden. Dies will § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem Verweis auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG vermeiden.
Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwerts ist der Erbe, weil die Feststellung für seine Besteuerung von Bedeutung ist. Inhaltsadressaten der Feststellung sind bei einer Erbengemeinschaft die Miterben, welche als Steuerschuldner ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt sind.
Bei mehreren Miterben muss dem Bescheid klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten.
Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück ist. Der Umstand, dass der Vermächtnisanfall einen anderen Erwerbsvorgang bildet, ist unerheblich.
Vermächtnisnehmer sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das FA sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat. Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder – bei mehreren – den Vermächtnisnehmern ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Der BFH folgt insoweit ausdrücklich nicht der Ansicht der Finanzverwaltung, welche eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber dem Vermächtnisnehmer vorsieht (vgl. R B 151.2 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 ErbStR 2019). Denn diese Vorgehensweise birgt die Gefahr, dass Feststellungsbescheide mit unterschiedlich festgestellten Grundbesitzwerten ergehen und in Bestandskraft erwachsen.
Das soll jedoch durch § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 154 BewG, wonach mehrere Feststellungsbeteiligte an dem (einen) Wertfeststellungsverfahren zu beteiligen sind, vermieden werden.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein fälschlicherweise allein gegenüber einem Vermächtnisnehmer erlassener Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts mangels Bestimmtheit oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
Ein Feststellungsbescheid leidet an einem besonders schwerwiegenden Fehler, wenn für ihn auf keine vertretbare Weise eine gesetzliche Grundlage oder eine gesetzliche Begründung gefunden werden kann, wenn er unter keinen Umständen mit dem Gesetz vereinbar ist, oder wenn sich aus ihm nicht oder nicht hinreichend bestimmt ergibt, was wem gegenüber festgestellt wird. Der Fehler muss bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sein.
Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer erfüllt diese Voraussetzungen für eine Nichtigkeit nicht. Da der Vermächtnisnehmer an dem Feststellungsverfahren gegenüber dem Erben beteiligt werden kann, entbehrt ein solcher Bescheid nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage.
Aus diesem ergibt sich unzweifelhaft, was wem gegenüber festgestellt wird. Dass ein solcher Bescheid die übrigen Feststellungsbeteiligten, insbesondere den Erben, nicht einschließt, macht ihn nicht unwirksam.
Entscheidung im Besprechungsfall
Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist und die Vorentscheidung sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, hob der BFH sie auf. Der Grundbesitzwert hätte zwar nicht alleine gegenüber dem K als Vermächtnisnehmer festgestellt werden dürfen. Vielmehr hätte K als Vermächtnisnehmer am Verfahren über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts beteiligt werden müssen.
Der fälschlicherweise gegen den K ergangene Feststellungsbescheid ist jedoch nicht aufzuheben. Er ist wirksam und wurde nicht rechtzeitig mit Rechtsmitteln angefochten. Der Grundbesitzwert wird K zwar zu Unrecht, aber dennoch wirksam zugerechnet.
Die fehlerhafte Zurechnung in einem gesonderten Feststellungsbescheid führt nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit. Der fehlerhafte Feststellungsbescheid ist bestandskräftig. Gegen ihn ist im Besprechungsfall nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt worden.
Praxishinweis
Der BFH hat seine Grundsätze für die Feststellung von Grundbesitzwerten bei Vermächtnissen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer weiter konkretisiert: Ist ein Vermächtnis auf Zuwendung von Grundbesitz gerichtet, so ist für die Besteuerung der gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellende Grundbesitzwert maßgeblich. Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein gesondert zu bewertendes Grundstück ist.
Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Ein solcher Bescheid kann in Bestandskraft erwachsen.
BFH, Urt. v. 06.05.2021 - II R 34/18
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht