In Bauträgerfällen sieht § 27 Abs. 19 UStG Mitwirkungspflichten für den leistenden Unternehmer vor, der seinen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtritt. Nach dem BFH müssen die Unternehmer alles Zumutbare tun, damit das Finanzamt den abzutretenden Anspruch realisieren kann. Ein Verstoß liegt aber nicht vor, wenn das Finanzamt ein Abtretungsangebot ermessensfehlerhaft ablehnt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 17.04.2024 (XI R 16/22) die Grundsätze über die Mitwirkungspflichten in Bauträgerfällen konkretisiert.
Sachverhalt und Entscheidung im Besprechungsfall
Die K-GmbH (Klägerin) erbrachte Bauleistungen und war in den Streitjahren für verschiedene Bauträger tätig, die als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer abführten.
Nach einer Rechtsprechungsänderung des BFH beantragten mehrere Bauträger - darunter F und G - bei den zuständigen Finanzämtern (FA) die Erstattung der abgeführten Umsatzsteuer. Das für die K-GmbH zuständige FA forderte diese auf, berichtigte Steuererklärungen einzureichen.
Nach verschiedenen Versuchen der Einigung zwischen der K-GmbH und dem FA wegen der Übersendung berichtigter Rechnungen und Abtretungserklärungen, die nicht dem Formular der Finanzverwaltung entsprachen, und dem wiederholten, aber erfolglosen Angebot der K-GmbH, die Angelegenheit an Amtsstelle zu erörtern, erließ das FA geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Daraufhin übersandte die K-GmbH die gewünschten Abtretungserklärungen. Anschließend entstand Streit darüber, ob die Abtretungserklärungen rechtzeitig abgegeben wurden und ob die K-GmbH ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe.
Das Finanzgericht teilte die Ansichten des FA. Der BFH hingegen gab der Revision der K-GmbH statt.
Begründung im Besprechungsfall
Der BFH stellte zunächst fest, dass die angenommenen Abtretungen der K-GmbH gegen F und G als bestehende zivilrechtliche Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer an Zahlungs statt wirken.
Dabei geht der BFH auch davon aus, dass die K-GmbH keine Mitwirkungspflichten verletzt hat. Denn die in § 27 Abs. 19 UStG bezeichneten Mitwirkungspflichten sind einheitlich auszulegen, so dass der leistende Unternehmer alles ihm Zumutbare zu tun hat, um dem FA die Realisation des abgetretenen zivilrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen.
Der leistende Unternehmer muss diesen Pflichten nachgekommen sein, damit die Abtretung seiner Forderung auf Umsatzsteuernachzahlung Erfüllungswirkung entfalten kann.
Diese Maßstäbe hat die K-GmbH nach Auffassung des BFH eingehalten. Vor allem hatte die K-GmbH dem FA bereits anfänglich einen Abtretungsvertrag übersandt, den das FA ermessenswidrig nicht abschloss.
Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, die ihr von der K-GmbH angebotene Abtretung anzunehmen, obwohl die K-GmbH nicht versichern konnte, dass die gegenüber G und F bestehenden Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer nicht streitbefangen waren.
Bei einem ordnungsgemäßen Abtretungsangebot ist das Ermessen des FA, ob es die Abtretung annimmt, bereits aus Gründen des Unionsrechts auf null reduziert, so dass der leistende Unternehmer einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots hat.
Weiter berücksichtigte der BFH zu Lasten des FA, dass die Verjährung des Anspruchs die Aufrechnung nicht zivilrechtlich ausschließt, wenn der Anspruch zu dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte.
Weil die K-GmbH von Anfang an wiederholt erklärte, an einer einvernehmlichen Lösung interessiert zu sein, und hierzu mehrfach erfolglos um ein Gespräch an Amtsstelle gebeten hat, verneint der BFH eine Verletzung von Mitwirkungspflichten. Daher gab der BFH der Klage statt.
Praxishinweis
Der BFH hat seine Grundsätze wie folgt konkretisiert: Im Rahmen der Mitwirkungspflichten des leistenden Unternehmers hat dieser alles ihm Zumutbare zu tun, um dem FA die Realisation des abzutretenden Anspruchs gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen.
Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflichten, die der Erfüllungswirkung der Abtretung dieser Ansprüche entgegensteht, liegt dann nicht vor, wenn das FA ein Abtretungsangebot des leistenden Unternehmers ermessensfehlerhaft ablehnt.
BFH, Urt. v. 17.04.2024 - XI R 16/22