Welche Nachweise sind für die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) zu erbringen? Nach dem BFH muss die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers nicht unbedingt durch dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachgewiesen werden. Den leistenden Unternehmer trifft aber die Feststellungslast, dass die Voraussetzungen für den Wechsel der Steuerschuldnerschaft vorliegen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 31.01.2024 (V R 20/21) entschieden, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger nicht auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) ankommt.
Die Steuerschuldnerschaft kann auch auf den Leistungsempfänger übergehen, wenn auf anderem Wege die Unternehmereigenschaft nachgewiesen wird. Dem leistenden Unternehmer obliegt jedoch die Feststellungslast, ob die Voraussetzungen für den Wechsel der Steuerschuldnerschaft vorliegen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine GmbH und die Gesamtrechtsnachfolgerin einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft.
Die Kapitalgesellschaft betrieb im Streitjahr einen Onlinemarktplatz, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer Gegenstände zum Kauf anboten. Für den Zugang zu dem Onlinemarktplatz wurden Gebühren von den Nutzern erhoben, deren Höhe sich vornehmlich nach den Verkaufserlösen richtete.
Für die Nutzung des Marktplatzes hatten sich die Leistungsempfänger zu registrieren, wobei sie anzugeben hatten, ob sie als Privatperson oder als Unternehmer den Marktplatz nutzen wollten.
Standardmäßig wurden die Nutzer vom System als Privatpersonen und somit als Nichtunternehmer angelegt. Bei der Registrierung als Unternehmer mussten die notwendigen Angaben zum Unternehmen einschließlich der USt-ID gemacht werden.
Wurde die USt-ID nicht angegeben, prüfte die Klägerin anhand weiterer Kriterien (u.a. aufgrund bestimmter Umsatzgrenzen), ob die Leistungsempfänger als Unternehmer einzuordnen seien.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung beanstandete das Finanzamt (FA) die Praxis und erkannte nur die Leistungsempfänger als Unternehmer an, die eine USt-ID angegeben hatten.
Für die restlichen Leistungsempfänger waren nach Ansicht des FA die Voraussetzungen für den Wechsel der Steuerschuldnerschaft nicht gegeben. Das FA änderte daher die Steuerfestsetzungen des Streitjahrs und forderte die entsprechende Umsatzsteuer nach.
Die gegen die geänderte Steuerfestsetzung gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht (FG) keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin sah der BFH jedoch als begründet an und wies die Sache zur weiteren Verhandlung an das FG zurück.
Wechsel der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG
Grundsätzlich ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der leistende Unternehmer Schuldner der Umsatzsteuer.
Ausnahmsweise schuldet nach § 13b Abs. 5 UStG jedoch der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und der Ort der Leistung im Inland liegt.
Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Für eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 UStG muss der Empfänger der Leistungen hinreichend bekannt und identifizierbar sein.
Anders als das FG geht der BFH jedoch davon aus, dass anhand der von der Klägerin angelegten Kriterien bei der Identifizierung und Einordnung von Unternehmern die Steuerschuldnerschaft wirksam übergegangen ist. Der zwingende Nachweis einer USt-ID ist für die Feststellung, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, nicht notwendig.
Der Tatbestand des § 13b Abs. 5 UStG verlangt lediglich, dass die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers festgestellt wird. Das FG hat daher nun aufzuklären, ob die Leistungsempfänger der Klägerin tatsächlich Unternehmer waren.
Praxishinweis
Weder aus den Tatbestandsvoraussetzungen der nationalen Vorschrift für die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG noch aus den entsprechenden Vorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie geht das Erfordernis des Nachweises der USt-ID hervor.
Dennoch trifft den leistenden Unternehmer die Feststellungslast. Eine gültige USt-ID kann jedoch zweifelsfrei die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers belegen. Sollte diese nicht vorgelegt werden können und auch durch andere Kriterien die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, sollte bei dem Abschluss von entsprechenden Verträgen eine Klausel für die Nachberechnung der Umsatzsteuer aufgenommen werden.
Sollte das FA die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers verneinen, kann der leistende Unternehmer so noch die Umsatzsteuer von dem Leistungsempfänger nachfordern.
BFH, Urt. v. 31.01.2024 - V R 20/21