Wann können Unternehmer die Umsatzsteuerbefreiung nach der Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen? Der BFH hat entschieden, dass die Kleinunternehmerregelung nur für die Unternehmer anwendbar ist, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung auch ansässig sind. Der BFH nimmt damit Bezug auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach eine dauernde Präsenz im jeweiligen Mitgliedstaat Voraussetzung ist.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gefolgt und hat mit seinem Urteil vom 12.12.2019 (V R 3/19) entschieden, dass die Kleinunternehmerregelung nur in dem Mitgliedstaat anwendbar ist, in dem der Unternehmer ansässig ist.
Sachlage im Streitfall
Die Steuerpflichtige lebte in den Streitjahren in Italien. Von ihrem Vater war ihr ein Nießbrauchsrecht an einer in Deutschland gelegenen Wohnung eingeräumt worden. Sie war daher berechtigt, die Wohnung zu wirtschaftlichen Zwecken zu nutzen und die Früchte aus der Sache zu beziehen.
Die Wohnung wurde über ein Internetportal kurzfristig verschiedenen Mietern überlassen und unterlag damit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Gegenüber dem Finanzamt (FA) beantragte sie aufgrund der geringen Umsätze die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG. Dies lehnte das FA ab.
Auch die beim Finanzgericht (FG) eingereichte Klage hatte keinen Erfolg, da die Steuerpflichtige aufgrund ihrer Ansässigkeit in Italien keinen Anspruch auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung habe.
Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen das Urteil des FG als unbegründet zurück.
Anwendung der Kleinunternehmerregelung
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG ist die Kleinunternehmerregelung anzuwenden, wenn die im Inland erzielten Umsätze im vorangegangenen Jahr weniger als 17.500 € (seit dem 01.01.2020: 22.000 €) betragen haben und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 € nicht übersteigen werden. Die Umsatzsteuer wird bei Erfüllung der Voraussetzung auf die getätigten Umsätze nicht erhoben.
Diese Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 282 ff. MwStSystRL. Nach der Richtlinie ist diese Regelung nur in dem Mitgliedstaat für den Steuerpflichtigen anwendbar, in dem dieser auch ansässig ist. Dies bestätigte der EuGH in seinem Urteil vom 26.10.2010 (C-97/09). In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt wurde ebenfalls eine Wohnung außerhalb des Wohnsitzstaates umsatzsteuerpflichtig vermietet.
Der EuGH argumentierte, dass mit der Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf den Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen verhindert werden soll, mehrmals die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen zu können, obwohl der gesamte Umfang der Tätigkeit die Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung übersteigt.
Die Ansässigkeit ist nach Ansicht des EuGH gegeben, wenn der Steuerpflichtige eine dauerhafte Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat innehat. Der Begriff der festen Niederlassung ist in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und im UStG nicht klar definiert. Merkmale für eine feste Niederlassung sind das Unterhalten von Geschäftsräumen, die Anwesenheit von Personal und weiteren Ausrüstungsgegenständen.
Dass die Steuerpflichtige in dem Streitfall somit nur eine Wohnung zu Vermietungszwecken im Mitgliedstaat unterhielt, reicht demnach nicht für die Annahme der Ansässigkeit in Deutschland aus.
Praxishinweis
Die Steuerpflichtigen sollten auch bei der Vermietung einer geringen Anzahl von Ferienwohnungen dennoch prüfen, ob die Umsätze unter den Grenzen der Kleinunternehmerregelung liegen. Die maßgebliche Grenze von bisher 17.500 € wurde zum 01.01.2020 auf 22.000 € erhöht, um der allgemeinen Preisentwicklung Rechnung zu tragen.
BFH, Urt. v. 12.12.2019 - V R 3/19
Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater und Diplom-Finanzwirt (FH)