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Umsatzsteuer -

BFH konkretisiert Regeln für Umsatzgrenze bei Kleinunternehmern

Wie wird der Gesamtumsatz bei der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG ermittelt? Der BFH hat die Regeln für die Umsatzgrenze weiter konkretisiert: Liefert der Unternehmer Gegenstände, für die er keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen konnte, sind diese Lieferungen in den Gesamtumsatz nicht einzubeziehen. Das gilt auch, wenn das Unternehmen erst durch die Veräußerungstätigkeit entsteht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wie die Grenze für Kleinunternehmerregelungen zu ermitteln ist.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Der Kläger A gründete mit K eine GbR, deren Unternehmensgegenstand der Einzelhandel mit Angelsportartikeln war. Nachdem die GbR aufgelöst wurde, führte A die Tätigkeit als Einzelunternehmen fort. Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung ging das Finanzamt (FA) davon aus, dass A bereits vor Gründung der GbR über Online-Plattformen Umsatzgeschäfte abgeschlossen und dabei in den Streitjahren Umsätze i.H.v. 25.278,79 € und 5.265,16 € ausgeführt hat.

Das FA erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des FG ist die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht anzuwenden. Nimmt ein Unternehmer eine Tätigkeit neu auf, ist auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres, also des Erstjahres, abzustellen, welcher 17.500 € nicht überschreiten darf.

Der Umsatz im Erstjahr ist aufgrund einer Prognose, hilfsweise nach dem tatsächlichen Jahresumsatz im Erstjahr zu bestimmen. Die Sonderregelung für Anlagevermögen ist nicht anzuwenden, da es sich um Umlaufvermögen gehandelt hat.

Ermittlung des Gesamtumsatzes

Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Gesamtumsatz die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze abzgl. der Umsätze, welche gem. § 4 Nr. 8 Buchst. i, Nr. 9 Buchst. b und Nr. 11 bis 28 UStG steuerfrei sind. Steuerfrei ist u.a. die Lieferung von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist.

Nicht abziehbar sind demnach insbesondere die Vorsteuerbeträge, welche auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sowie des § 7 EStG gilt. Demnach dürfen u.a. Betriebsausgaben in der Form von Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern.

Dadurch werden auf jeden Fall alle Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen, welche keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie beispielsweise Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen. Gleiches gilt für Aufwendungen, für die das Abzugsverbot gem. § 12 Nr. 1 EStG gilt.

Dies erfasst die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge. Dazu gehören auch Aufwendungen für die Lebensführung, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Dabei kommt es allein darauf an, ob Aufwendungen vorliegen, die ihrer Art nach unter die Abzugsverbote fallen, da die ertragsteuerrechtliche Bedeutung unerheblich ist.

Aus § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 28 und § 15 Abs. 1a UStG folgt, dass Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug aufgrund der Verweisungen auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG oder auf § 12 Nr. 1 EStG dem Grunde nach nicht geltend gemacht werden kann, bei der Bestimmung des Gesamtumsatzes für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung auch dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn die Unternehmereigenschaft erst durch die Veräußerungstätigkeit begründet wurde.

Es kommt nicht darauf an, inwiefern diese Regelungen dem Vorsteuerabzug aus derartigen Aufwendungen bei den jeweiligen Leistungsbezügen konkret entgegenstehen. Denn die vorstehenden Regelungen gelten auch bei der Bestimmung des Gesamtumsatzes der Unternehmer, bei denen ein Vorsteuerabzug bereits an § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG und damit an der im Anschaffungsjahr anzuwendenden Kleinunternehmerregelung scheiterte.

Somit ist bei der Anwendung von § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 28 und § 15 Abs. 1a UStG nicht danach zu differenzieren, ob der Unternehmer im Erwerbsjahr Kleinunternehmer war oder der Regelbesteuerung unterlag. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob überhaupt eine Unternehmerstellung beim Erwerb vorlag.

Denn die Anwendung dieser Vorschriften auf unternehmerische Lieferungen setzt nur voraus, dass für den gelieferten Gegenstand bei seinem Erwerb dem Grunde nach kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden konnte, ohne dass danach zu unterscheiden wäre, auf welcher Gesetzesgrundlage dies beruht.

Jede andere Beurteilung würde nach Ansicht des BFH zu Wertungswidersprüchen führen und den privaten Erwerber von Gegenständen zur Fischerei gegenüber unternehmerischen Erwerbern benachteiligen, obwohl beide Personengruppen bei der späteren Lieferung in derselben Weise als Unternehmer handeln.

Eine Differenzierung nach der Unternehmerstellung beim Erwerb würde zu „ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen“ zugunsten der Unternehmer führen, welche bereits beim Erwerb Unternehmer waren. Ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile sind bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu vermeiden.

Entscheidung im Besprechungsfall

Vor diesem Hintergrund ist zwar davon auszugehen, dass A die zunächst privat erworbenen Angelsportgeräte, für die dem Grunde nach das Abzugsverbot für Fischereiaufwendungen eingreift, in den Streitjahren in einem unternehmerischen Umfang geliefert hat.

Allerdings hat das FG nicht geklärt, in welchem Umfang derartige Lieferungen getätigt wurden und ob es sich dem Grunde nach um Aufwendungen handelt, welche unter § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 oder § 12 Nr. 1 EStG fallen. Daher hat der BFH das Urteil aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung die Grundsätze zur Ermittlung des Gesamtumsatzes gem. § 19 UStG weiter konkretisiert: Liefert der Unternehmer Gegenstände, für die er beim Erwerb keinen Vorsteuerabzug hatte, sind diese nicht in die Ermittlung des Gesamtumsatzes einzubeziehen. Dies gilt auch, wenn das Unternehmen erst durch die Veräußerungstätigkeit entsteht.

Unternehmer, welche aktuell unter die Kleinunternehmerregelung fallen oder aufgrund von Verkäufen von Gegenständen, für die kein Vorsteuerabzug bei der Anschaffung bestand, gerade nicht unter diese Regelung fallen, sollen aufgrund dieser Entscheidung erneut überprüfen, inwiefern sie unter die Kleinunternehmerregelung fallen könnten.

BFH, Urt. v. 26.09.2019 - V R 27/19 (V R 1/17)

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht