Wann liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor? Der BFH hat im Fall einer Rechtsanwalt-GmbH, für die der Alleingesellschafter-Geschäftsführer als Anwalt tätig war, entschieden: Die für die wirtschaftliche Eingliederung nötige Verflechtung von Organträger und Organgesellschaft kann sich unter Umständen aus Leistungen des Mehrheitsgesellschafters gegenüber seiner Tochtergesellschaft ergeben.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wann die wirtschaftliche Eingliederung bei einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft gegeben ist.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger (K) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH und als Rechtsanwalt unternehmerisch tätig. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH bezog er kein Gehalt. Zudem bestand zwischen ihm und der GmbH ein Kooperationsvertrag, wonach er Mandate namens und im Auftrag der GmbH bearbeiten und zur Abrechnung bringen sollte. Später war K nur noch gegenüber der GmbH tätig.
Als Vergütung erhielt K von den von ihm bearbeiteten und abgerechneten Mandaten eine Umsatzbeteiligung der jährlich vereinnahmten Nettoumsätze. Das Finanzamt (FA) nahm einen Zufluss der Honorare bei K jedoch nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Forderung an und erhöhte die jährlichen Umsätze. Der Einspruch des K war erfolglos, die Klage erfolgreich, während der BFH im Ergebnis dem FA folgte.
Voraussetzungen für einen Unternehmer – Bestehen einer Organschaft
Eine unternehmerische Tätigkeit erfordert u.a., dass diese selbständig ausgeübt wird. Die Tätigkeit wird jedoch nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Nach Ansicht des BFH war die A-GmbH Organgesellschaft des K. Die GmbH war in das Unternehmen des K finanziell eingegliedert. Dieser verfügte als Alleingesellschafter der GmbH über sämtliche Stimmrechte und konnte damit bei Beschlussfassungen der GmbH seinen Willen durchsetzen.
Die organisatorische Eingliederung der GmbH bestand aufgrund der Stellung des K als Geschäftsführer der GmbH ebenfalls. Zudem ist auch die wirtschaftliche Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des K gegeben. Für die wirtschaftliche Eingliederung müssen die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein.
Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur eine unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt.
Dies nahm der BFH vorliegend an. Denn K erbrachte aufgrund des Kooperationsvertrags ausschließlich Leistungen gegenüber der GmbH, indem er Mandate im Auftrag der GmbH selbständig bearbeitete und zur Abrechnung brachte.
Rechtsfolgen der Organschaft
Als Folge der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft wird die gewerbliche Tätigkeit der in das Unternehmen des K (Organträger) eingegliederten GmbH (Organgesellschaft) nicht selbständig ausgeübt; die eingegliederte GmbH ist kein Unternehmer und als Organgesellschaft unselbständiger Teil des Unternehmens des K, so dass die GmbH und der K als ein Unternehmen zu behandeln sind.
Demnach sind die zwischen der GmbH als Organgesellschaft und dem K als Organträger erbrachten Leistungen als Innenumsätze nicht steuerbar. Für diese Innenumsätze schuldet K keine Umsatzsteuer gem. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG, weil Abrechnungen über solche Umsätze mit gesondertem Steuerausweis keine tauglichen Rechnungen sind.
Die von der GmbH als Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze sind allerdings K als Organträger ebenso zuzurechnen wie die Leistungsbezüge der GmbH von Dritten.
Entscheidung im Besprechungsfall
Jedoch hat nach Ansicht des BFH das Finanzgericht (FG) keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe K als Organträger Umsätze und Leistungsbezüge der GmbH als Organgesellschaft zuzurechnen sind. Damit das FG dies nachholen kann, hat der BFH das Verfahren zurückverwiesen.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung die Grundsätze zur Organschaft weiter konkretisiert: Die für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche Verflechtung der Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft kann auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn dieser für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Rechtsanwalts-GmbH Dienstleistungen von ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer bezieht. Abzuwarten bleibt, wann solche Leistungen lediglich eine geringfügige Bedeutung haben. Dies wird der BFH in Zukunft noch bestimmen müssen.
BFH, Urt. v. 18.09.2019 - XI R 39/17
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht