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Umsatzsteuer -

Vorsteuerabzug: Unternehmenseigenschaft einer Holding

Wann ist eine Holding bei Leistungen an Tochtergesellschaften zum Vorsteuerabzug berechtigt? Nach dem BFH kann die Unternehmenseigenschaft auch dann vorliegen, wenn Ausgangsleistungen keine besondere Eingriffsqualität aufweisen. Zudem reicht es, wenn künftige Leistungen beabsichtigt sind. Gerichte sind an die Billigkeitsentscheidung des Finanzamts, dass keine Organgesellschaft vorliegt, gebunden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 12.02.2020 (XI R 24/18) dazu Stellung genommen, welche Voraussetzungen die Leistungen einer Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften erfüllen müssen, damit die Holding umsatzsteuerlicher Unternehmer wird.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Zur Unternehmensgruppe der B-AG zählen verschiedene Gesellschaften, u.a. die A GmbH & Co. KG. Diese erwarb jeweils 99,98 % der Kommanditanteile und alle Anteile an der jeweiligen Komplementärkapitalgesellschaft verschiedener Konzerngesellschaften, die wiederum jeweils die übrigen 0,02 % der Kommanditanteile hielten.

Die A GmbH & Co. KG erklärte für die Streitjahre u.a. Ausgangsumsätze an die Tochtergesellschaften, darunter die der D GmbH & Co. KG (Leistungsgegenstand jeweils laut Rechnungen: „verauslagte Kosten“ bzw. „for costs incurred“) und der G (Leistungsgegenstand laut Rechnungen: „laut Anteilskaufverträgen von dieser zu zahlende und von der Klägerin verauslagte“ Kosten).

Von den in ihren Steuererklärungen für die Streitjahre geltend gemachten Vorsteuern entfiel ein großer Teil auf Beratungsleistungen einer Kanzlei. Diese Kanzlei sollte die Leistungen bezüglich der Projekte der Tochtergesellschaften auch für die A GmbH & Co. KG erbringen und rückwirkend als Vertragspartei in den Vertrag eintreten.

Die Bruttobeträge der Rechnungen dieser Kanzlei an die A GmbH & Co. KG entsprechen jeweils den in den Rechnungen der A GmbH & Co. KG an ihre Tochtergesellschaften in der Summe weiterberechneten Beträgen. Das Finanzamt (FA) sah in den Tätigkeiten keine (Ausgangs-)Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, so dass kein Vorsteuerabzugsrecht aus den Rechnungen über die von ihr bezogenen (Eingangs-)Leistungen bestehe.

Anschließend hat die A GmbH & Co. KG Anfang 2018 beim FA eine Billigkeitsregelung mit dem Inhalt beantragt, dass sie nach Rdnr. 5 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26.05.2017 - III C 2 – S 7105/15/10002 (BStBl I 2017, 790) wegen ihrer Rechtsform als Personengesellschaft, nicht als Organgesellschaft behandelt wird.

Daraufhin hat das FA per Bescheid eine entsprechende Billigkeitsregelung erlassen. Gleichwohl blieb streitig, ob die A GmbH & Co. KG für die Streitjahre als Holdinggesellschaft eine Unternehmerin i.S.d. UStG war.

Holdingeigenschaft der A GmbH & Co. KG für die Streitjahre

Besteht eine Nichtbeanstandungsanweisung der Finanzverwaltung, die als eine sachliche Billigkeitsregelung der Verwaltung i.S.d. § 163 AO anzusehen ist, und trifft das FA eine darauf gestützte (Billigkeits-)Entscheidung, hat diese für die Steuerfestsetzung die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids gem. § 171 Abs. 10 AO und ist auch für das Finanzgericht (FG) bindend.

Unter Bezugnahme auf die Regelung im o.g. BMF-Schreiben hat das FA auf Antrag der A GmbH & Co. KG durch Billigkeitsmaßnahme entschieden, dass es erst für Umsätze ab dem 01.01.2019 von einer eventuellen Organschaft der Antragstellerin mit der D GmbH & Co. KG bzw. C GmbH & Co. KG ausgehen wird. Dies braucht vom FG nicht weiter überprüft zu werden.

Holdingeigenschaft ab 2019

Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien stellen für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit dar, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Unternehmer machen würde.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, welche dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist.

Dies setzt allerdings voraus, dass ein solcher Eingriff die Vornahme von Umsätzen einschließt, die der Mehrwertsteuer unterliegen, wie z.B. die Erbringung von administrativen, buchhalterischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen.

Der Begriff „Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft“ ist dahin zu verstehen, dass er alle Umsätze umfasst, welche eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. Außerdem sind, da die wirtschaftlichen Tätigkeiten mehrere aufeinanderfolgende Handlungen umfassen können, die vorbereitenden Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen.

Somit muss jeder, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, als Steuerpflichtiger geltend machen.

Da die entgeltlichen Ausgangsleistungen an die Tochtergesellschaften damit keine besondere Qualität (z.B. in Form eines „Eingreifens“) aufweisen müssen, und auch ein Bezug der Leistungen vor Gründung der Tochtergesellschaften der Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht entgegensteht, geht der BFH von einer unternehmerischen Tätigkeit aus, sofern die A GmbH & Co. KG steuerbare Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften oder die D GmbH & Co. KG erbracht hat.

Der BFH würdigt die Leistungen der A GmbH & Co. KG an die Tochtergesellschaften zwar nicht als Dienstleistungskommissionen, schließt aber gleichwohl das Vorliegen eines Leistungsaustauschs nicht aus.

Jedoch fehlen für den BFH ausreichende Feststellungen des FG, um abschließend beurteilen zu können, ob die A GmbH & Co. KG eigene Leistungen an die Tochtergesellschaften im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs erbracht hat oder ob es sich hierbei um nicht steuerbare Gesellschafterbeiträge handelte.

Der Gesellschafter kann grundsätzlich frei entscheiden, in welcher Eigenschaft er für die Gesellschaft tätig wird. Dabei kann er seine Verhältnisse frei festlegen, so dass die Abhängigkeit des Entgelts vom Umfang des jeweiligen Leistungsbeitrags das entscheidende Merkmal der Abgrenzung zwischen nicht steuerbarem Leistungsbeitrag und steuerbarem Leistungsaustausch ist.

Allerdings fehlt dem BFH eine Würdigung der Gesamtumstände, zu denen sowohl die gesellschaftsvertraglichen Regelungen als auch der Inhalt der mündlichen Vereinbarungen gehören, um ausschließen zu können, dass von der A GmbH & Co. KG bezogene Leistungen den Tochtergesellschaften als Gesellschafterbeitrag zur Verfügung gestellt wurden.

Dafür reicht neben mündlichen Vereinbarungen zwischen der Holding und den Tochtergesellschaften das parallel dazu zwischen der Holding und den Tochtergesellschaften bestehende Gesellschaftsverhältnis als Rechtsgrundlage für die Weitergabe von Beratungsergebnissen und Kostenweiterbelastungen aus. Diese Feststellungen muss das FG nachholen, daher hat der BFH die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Grundsätze zur Wirkung von Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung und der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft weiter konkretisiert: Eine ausdrückliche Billigkeitsentscheidung des FA, dass eine Gesellschaft nicht als Organgesellschaft zu behandeln ist, ist für die FGs bindend.

Um die Unternehmenseigenschaft einer Holdinggesellschaft zu begründen, müssen ihre steuerbaren Ausgangsleistungen an ihre Tochtergesellschaften grundsätzlich keine besondere „Eingriffsqualität“ aufweisen. Es reicht außerdem aus, wenn solche Leistungen in Zukunft beabsichtigt sind. Eine Dienstleistungskommission im Verhältnis zu Tochtergesellschaften liegt nicht vor, wenn den Tochtergesellschaften eine wirtschaftlich nicht teilbare Gesamtleistung anteilig zugeordnet wird. Der Entscheidung des BFH kommt damit grundsätzliche Bedeutung zu.

BFH, Urt. v. 12.02.2020 - XI R 24/18

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht